You are Mine
Berlin und angeschlagene Gitarren denken lassen, an Mädchen mit dunklen Haaren und zornigen Augen – Heike? hieß sie so? Und dann hört sie auf und dann flüstert sie – schlaf, Lexi, jetzt kannst du schlafen –, bevor sie ein anderes Lied anstimmt, ein fast vergessenes Schlaflied, das meine Mum mir früher vorgesungen hat. Ein Lied, das Madigan aus meinen Erinnerungen gestohlen haben muss, um es mir jetzt mit all den vertrauten Rhythmen vorzusingen, ihre Stimme ist so sanft und liebevoll, wie ich sie noch nie gehört habe.
Und niemals habe ich sie mehr gehasst. Noch das letzte bisschen Liebe und verdrehte Begierde ist nun in ein einziges Gefühl verwandelt worden: Hass, reiner, klarer Hass, der mich über den Schmerz, über mein Selbst hinausträgt.
Hass, das einzige Gefühl in dieser ganzen seelenlosen Welt, das es noch wert ist, empfunden zu werden.
Kapitel 20
ich hasse ich hasse ich hasse ich hasse ich hasse
Mein Mantra, jetzt meine einzige Selbstdefinition. Ich klammere mich daran, während ich tiefer und tiefer in unseren Geist eindringe – fort von jeglichem Bewusstsein, weg von Madigan –, um nach einer Stelle zu suchen, an der ich mir einen Rückzugsort einrichten kann, ein Bollwerk, eine Festung, die selbst Madigan nicht erobern kann.
ich hasse ich hasse ich hasse ich hasse ich hasse
Ich bin jetzt unendlich viel weiser, errichte meine Verteidigung mit größerer Sorgfalt, weniger Hast. Denn diese Barriere muss halten, muss Madigan nicht nur sicher draußen halten, sondern muss, endlich, sobald es erledigt ist, auch mich darin halten. Wird es so enden, wird sie so schließlich gewinnen? Keine heftige Entscheidungsschlacht von Psyche und Willen, sondern ein langsames, selbstauferlegtes Verblassen, eine schrittweise Auflösung? Ich kenne die Antwort darauf nicht, ich mache mir nicht einmal die Mühe, die Frage zu stellen. Sie ist belanglos, unwichtig.
Nur der Hass ist wichtig.
ich hasse ich hasse ich hasse ich hasse ich hasse
Ab und zu gleite ich nach vorne, nicht, weil mich die Welt da draußen wirklich interessiert, sondern weil ich Treibstoff sammeln muss, um das Feuer meines Hasses immer weiter am Brennen zu halten. Vielleicht bin ich besiegt, aber noch bin ich nicht bereit, ganz aufzugeben, also. Also:
ich hasse dich
Ich flüstere es Madigan zu, während sie die nötigen Anrufe erledigt und als Erstes mit Ruths Bruder spricht: »Stephen, hast du sie gesehen? Sie hat sich das Auto ausgeliehen, aber das ist jetzt zwei Tage her. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie.« Dann die Polizei: »Nein, ich will es nicht gestohlen melden oder irgendwas, kann ich sie nicht einfach vermisst melden? Oh, dann geht es schneller, wenn ich das Auto als gestohlen melde?«
ich hasse dich
Die Worte sind so laut, dass selbst die anderen sie hören müssen, diese Cops mit den ausdruckslosen Gesichtern, die kommen, um mir mitzuteilen, dass sie mein Auto gefunden haben und noch Schlimmeres. Aber sie reagieren überhaupt nicht. Genauso wenig wie Madigan, die den trauernden Freund perfekt spielt, inklusive zitternder Hände und zusammenhanglosen Sätzen. »Gott, ich hatte keine Ahnung. Sie schien in letzter Zeit ein wenig down, manchmal habe ich sie in ihrem Zimmer weinen hören, meistens nachts, aber ich hätte nie gedacht …«
Eine Zugabe für Stephen, der kommt, um die Besitztümer seiner Schwester abzuholen, zum letzten Mal. Stephen, der mit glasigem Blick und einer Kiste in den Armen in der Tür stehen bleibt. »Was läuft hier? Zwei zum Preis von einer? Mann, du solltest dir wirklich ein Warnschild umhängen.« Seine Worte sind absichtlich grausam, aber all das hilft mir, den Hass zu nähren. Sobald er verschwunden ist, lacht Madigan einfach, weil solche Worte wie Wasser auf dem Rücken ihrer Psychopathie abgleiten.
»Hast du das gehört, Lexi? Potenzielle Freundinnen, seid gewarnt! Betreten auf eigene Gefahr.«
ich hasse dich ich hasse dich ich hasse dich
Aber das scheint ihr nichts auszumachen, sie scheint sich überhaupt keine Mühe mehr zu machen, meine Handlungen zu unterdrücken oder zu kontrollieren. Weil sie weiß, dass sie gewonnen hat? Weil sie glaubt, dass ich keine echte Bedrohung mehr darstelle? Vielleicht. Aber warum befreit sie sich dann nicht ganz von mir, warum versucht sie ständig, mich in ein Gespräch zu ziehen, mich dazu zu bringen, etwas anderes zu sagen als
ich hasse dich
»Du klingst wie eine hängen gebliebene Schallplatte, Lexi. Kannst du nicht mal die andere Seite
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