You are Mine
weiß, dass sie recht hat, weiß, dass auch Kaye Allen recht hat, wenn sie über Schuldgefühle und Verlangen spricht und darüber, über beides hinauszuwachsen, aber ein kleiner Teil – ein Teil, von dem ich gehofft hatte, er wäre begraben – weiß es jetzt besser.
Serge. Das Bild hebt sich vor meinem inneren Auge: wie er mich erwartungsvoll aus den Falten seines Gesichts mit seinen Schweineaugen anstarrt.
Madigan und ich standen uns recht nahe. Wir haben gewisse Dinge geteilt.
Denn er weiß es. Er weiß genau, was gerade geschieht, und auch, warum. Das wollte er an diesem Tag in der Kathedrale herausfinden mit seinen kryptischen Fragen und seiner anbiedernden Sorge. Vielleicht ist er sogar dafür verantwortlich. Und ich wünsche mir, ich hätte diese verdammte Karte nicht weggeworfen, weil ich plötzlich den zwingenden Drang verspüre, Serge zu finden, von dem ich, wie mir auffällt, noch nicht einmal den Nachnamen weiß. Ihn zu finden und meine Finger in seinen Hals zu krallen, bis noch das letzte bisschen Wahrheit ans Licht kommt.
Denn Madigan mag ja tot sein, aber sie ist weit davon entfernt, beerdigt zu sein.
∞
nah dran, Lexi. so nah dran
Ruths Schlafzimmer, kühl und ruhig. Mondlicht fällt durch die offenen Vorhänge. Sie liegt auf dem Rücken im Bett, die Decke um ihre Hüfte gebauscht. Sie ist nackt, soweit ich es von meinem Standpunkt an der Tür aus erkennen kann.
allerdings nicht viel zu sehen, oder?
Ich kann die sanfte Kurve ihrer Brüste ausmachen, die Brustwarzen klein und dunkel, kann den Rhythmus ihrer Atemzüge im Schlaf beobachten. Sie weiß nichts von meinem prüfenden Blick und ist so verletzlich, so schön, wie sie dort liegt. Ich will zu ihr gehen, ihr die dunklen Strähnen aus dem Gesicht streichen und ihr einen Kuss auf die Stirn geben.
sie gehört hier nicht her. sie ist kein Teil davon, kein Teil von uns
Ruth bewegt sich im Schlaf und instinktiv ziehe ich mich von der Tür zurück oder versuche es zumindest.
nicht so schnell, Geliebter
Gefangen in dem lähmenden Traum, unfähig, mich abzuwenden, beobachte ich sie weiter. Die Angst, dass sie jeden Moment aufwachen könnte und mich zur Rede stellen, was zur Hölle ich da tue, ist fast aufregend. Meine Augen richten sich auf ihre rechte Hand, die schlaff auf dem Kissen liegt. Meine eigene Hand hängt an meiner Seite, die Finger um den Griff eines Messers geschlossen.
du warst nah dran
Ich fühle nichts. Keine Wärme, keine Kälte. Als stände ich innerhalb eines Vakuums, abgeschnitten von jeder echten Empfindung. Es ist seltsam angenehm – nicht mal ein Anflug der Panik oder der Hilflosigkeit, die ich an dem Abend im Kino empfunden habe, sondern nur ein tiefes Zufriedenheitsgefühl.
aber ich bin kein Geist, Lexi
So sicher. Ich könnte für immer in diesem Traum verweilen, hier stehen und Ruth beim Schlafen beobachten, Madigans Stimme in mir lauschen, die nicht länger wütend ist, nicht länger wahnsinnig, sondern so sanft und weich wie am Beginn unserer gemeinsamen Zeit.
Ich bin so viel mehr
Teil II: Kommunion
Kapitel 11
»Alex, hast du mich gehört?«, fragt Sarah. Im Hintergrund höre ich Straßenlärm und ihre Stimme setzt immer wieder aus.
Ich halte mir das Telefon ans andere Ohr. »Fährst du gerade?«
»Fang nicht damit an, ich habe eine Freisprechanlage.«
»Ich wollte gar nichts anfangen, ich war nur neugierig.«
Die Videothek ist heute Vormittag sehr ruhig, selbst für einen Wochentag. Nur ein Mann in den mittleren Jahren in einem langen schwarzen Mantel, der die Science-Fiction-Regale mustert, und drei dürre junge Mädchen in engen Jeans und noch engeren Oberteilen, die sich zankend durch die Neuerscheinungen bewegen.
»Also, kannst du kommen?«, fragt meine Schwester. Heute Abend steht irgendein Essen mit Ginny an, Martin kommt auch und ich frage mich, ob ich nur deswegen eingeladen bin, damit wir zu viert sind.
»Das ist ziemlich kurzfristig«, sage ich.
»Hör ab und zu mal deine Mailbox ab. Ich habe drei Nachrichten hinterlassen.«
Das überrascht mich. Mein Telefon hat seit Tagen nicht geklingelt.
Hinter mir kichert jemand. Alison, die Aushilfe, ist bereits sauer, weil ich heute Morgen zu spät dran war und sie zwanzig Minuten in der Kälte vor dem Laden warten musste. Sie hatte ihre Zigarette auf der Türmatte ausgetreten und mir, als ich ihr erklärte, dass sie das wegmachen soll, den Stinkefinger gezeigt. Also habe ich sie dazu verdonnert, die Familienfilm-Ecke wieder alphabetisch zu
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