You are Mine
der Frau mir gegenüber, die nicht im Mindesten so klingen wie die Ansprachen, die man von einer Psychologin erwartet – oder die Stimme von Madigan in meinem Kopf, diesmal so laut und klar, dass ich mich fast umgesehen hätte, weil ich halb erwartete, sie hinter mir zu finden, vor Zorn kochend und die Krallen geschärft.
Kaye beobachtet mich genau. »Was ist los, Alex?«
Nichts, versuche ich ihr zu erklären. Nichts, nur …
»Es hat dich förmlich vom Stuhl gerissen. Hast du einen Geist gesehen?«
Und trotz meiner Entschlossenheit, niemals darüber zu reden, nicht mit Ruth und sicher nicht mit einem Seelenklempner, bricht es aus mir heraus: die Stimme, die ich höre, seitdem ich von Madigans Tod erfahren habe, das unerklärliche Gefühl ihrer Anwesenheit, als stände sie direkt neben mir oder sogar noch näher; das Gefühl, dass sie mich – weil mir kein besseres Wort einfällt – heimsucht . Wie die Stimme für eine Weile verschwunden war und ich dachte, es wäre endlich vorbei, bis die Blackouts und die verlorene Zeit ans Tageslicht kamen, bis letzte Nacht im Kino, als alles zurückkam, als sie zurückkam – Madigan. Und jetzt habe ich nicht den Hauch einer Ahnung, was das alles bedeutet.
»Hier.« Kaye zieht eine Packung Taschentücher unter dem Couchtisch hervor und hält sie mir entgegen, aber ich schüttle den Kopf und wische mir stattdessen die Augen mit dem Ärmel ab.
Ich weine. Wieder. Immer noch.
»Also, sagen Sie mir.« Ich starre wieder auf das Aquarium, weil ich ihren Blick nicht einfangen will. »Werde ich vollkommen wahnsinnig oder was?«
»Das ist kein Wort, das ich besonders nützlich finde«, sagt Kaye. »Aber nein, du wirst nicht wahnsinnig. Was du durchleidest, ist eine Unmenge Stress. Stress, an dem du anscheinend schon eine ganze Weile leidest.«
»Und das lässt mich tote Leute hören?« Es ist als Witz gemeint, aber meine Stimme bricht in der Mitte des Satzes und meine Lippen verweigern das Lächeln.
»Akustische Halluzinationen sind tatsächlich relativ häufig. Viele Leute, die geliebte Personen verloren haben, erklären, dass sie ihre Gegenwart spüren können. Sie reden auch mit ihnen, oft noch Jahre nach ihrem Tod. Es kann ein nützlicher Bewältigungsmechanismus sein, obwohl ich nicht glaube, dass das hier der Fall ist. Du bestrafst dich selbst, Alex. Ist das wirklich, was du in deinen Augen verdient hast?«
Genug, mehr als genug.
»Mir ist egal, was genau geschieht«, erkläre ich ihr. »Ich will nur, dass es aufhört. Gibt es nichts, was Sie mir geben können, eine Pille oder irgendwas?«
Kaye schüttelt den Kopf. »Es gibt hier keine schnelle Lösung, Alex. Ich glaube, du musst das Problem erst verstehen, bevor du es lösen kannst. Du musst deine Geister kennen, bevor du sie bannen kannst.«
»Meine Geister?«
»Metaphorisch gesprochen.«
»Sie sagen mir also, dass es alles nur in meinem Kopf stattfindet.«
Kaye lächelt. »Du sagst das, als wäre es etwas Einfaches, aber der menschliche Geist ist alles andere als einfach. Wir haben es hier mit einem extrem empfindlichen und komplexen Organ zu tun, und die medizinische Wissenschaft steht erst ganz am Anfang ihres Verständnisses. Tu es nicht so leicht ab.«
»Ich tue gar nichts ab, ich will nur wissen, was los ist.«
»Meiner Meinung nach?« Sie hält inne und sieht mir einige Sekunden direkt in die Augen. »Ich weiß noch nicht genug über dich, also muss ich vorsichtig sein. Aber ich glaube, ich kann mit relativer Sicherheit das, was du erlebst, mit deinen Gefühlen zu Madigan, ihrem Tod und deiner Rolle dabei in Verbindung bringen. Natürlich möchte ich dich trotzdem an einen Neurologen überweisen, nur um sicherzustellen, dass hinter den Symptomen nichts Körperliches steckt. Es hilft vielleicht auch dabei, deine Ängste zu lindern.«
Neurologe: ein kaltes, kompliziertes Wort. Hirnscans und Tumore und andere Implikationen, die mir zu viel Angst einjagen, um darüber nachzudenken. Ich drücke mir die Handballen fest gegen die Augen und genieße die Sternenexplosion und den sofortigen Schmerz.
»Ich will einfach nur, dass alles verschwindet.«
»Das wird es.« Eine leichte, schnelle Berührung ihrer Hand an meinem Knie. Ich schaue auf, mein Blick klärt sich, aber sie sitzt bereits wieder in ihrem Sessel. »Aber nicht von allein und nicht ohne Anstrengungen. Du musst daran arbeiten, Alex. Ich bin hier, um zu helfen, aber überwiegend hängt es von dir ab.«
Sie sieht auf ihre Armbanduhr, ein kleines
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