You are Mine
Madigan zu finden und zu bekämpfen. Denn das ist etwas, was anscheinend weder Serge noch Madigan verstehen: Unsere Körperlichkeit und unser Geist sind nicht im Mindesten voneinander getrennt, sondern kompliziert miteinander verwoben. Das eine kann nicht ohne das andere funktionieren. Sobald der Geist stirbt, folgt unwiederbringlich der Körper und andersherum ebenso.
Das ist der Grund, warum Madigan so schnell einen Wirt finden musste. Es wäre ihr unmöglich gewesen, längere Zeit ohne Körper zu verweilen – selbst der stärkste Geist kann sich der Auflösung nicht mehr als ein paar Tage widersetzen, ohne einen physischen Anker zu besitzen. Und diese Tatsache spielt mir in die Hände. Es ist schließlich mein Körper, es war sechsundzwanzig Jahre lang mein Körper, und deswegen ist meine Verbindung zu ihm sehr stark, egal, wie schwach Madigan sie erscheinen lässt.
»Also wird es leicht, sie loszuwerden?«, fragt Ruth. »Weil Alex stärker ist?«
»Ich habe nicht leicht gesagt, so würde ich es nicht ausdrücken.« Erin runzelt die Stirn. »Sie ist viel willensstärker als er und das schafft ausgeglichene Verhältnisse. Nichts für ungut, Alex, aber jeder, der fähig ist, etwas so Großes abzuziehen …«
»Kein Problem.«
Erin nickt. Es ist so: Madigan wird mit jeder Sekunde, die sie in meinem Körper verbringt, stärker. Sie nimmt Anpassungen vor, gewöhnt sich an das neue Fleisch, die Mechanik der fremden Anatomie. Nach dem, was ich erzählt habe, integriert sie sich mit angsteinflößender Geschwindigkeit. Sie ist bereits fähig, für kurze Zeitspannen die Kontrolle zu übernehmen, und es wird nicht mehr lange dauern, bis sie mein Bewusstsein vollkommen unterdrücken kann, mich vielleicht sogar töten oder Schlimmeres.
Ruth schnaubt. »Könnte es etwas Schlimmeres geben?«
»Ja«, erklärt ihr Erin. »Und ich glaube, Alex weiß das auch.«
Ich schlucke schwer, als ich mich an das Nichts erinnere, seine allumfassende, kalte Gleichgültigkeit. »Wie lange haben wir deiner Meinung nach noch Zeit?«
»Schwer zu sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Madigan einen Fehler gemacht hat, der uns in die Hände spielt. Eigentlich sogar den ältesten Fehler von allen: Stolz, Überheblichkeit, wie auch immer man es nennen will. Sie hätte sich viel besser an den ursprünglichen Plan gehalten, selbst wenn …«
»Erin!« Ruths Stimme ist scharf genug, um Metall zu durchtrennen. »Wir waren uns einig.«
»Einig worüber?«, frage ich, während die zwei Frauen einen schnellen, unlesbaren Blick wechseln.
»Es gibt ein paar Details, die du wahrscheinlich nicht wissen musst«, sagt Ruth und wählt ihre Worte sehr sorgfältig. »Zumindest nicht im Moment, nicht bis das hier vorbei und erledigt ist.«
»Zum Teufel damit. Ich bin derjenige, dem es passiert, oder? Also will ich alles wissen, jedes verdammte Detail. Falls ihr beide nicht auspackt, lese ich die verdammten Tagebücher selbst.«
Wieder ein Blickwechsel.
»Das ist eigentlich sogar eine gute Idee«, sagt Erin schließlich. »Warum den Maulesel fragen, wenn das Pferd direkt daneben steht?«
Ruth schüttelt den Kopf. »Ich halte es für eine unglaublich schlechte Idee.« Aber trotzdem nimmt sie sich eines der Tagebücher und blättert schnell durch die markierten Stellen, bevor sie es mir gibt und mit dem Zeigefinger auf einen bestimmten Absatz unten auf der Seite zeigt. »Hier fängt es an.«
Beklommen und mir der zwei Frauen an meiner Seite nur zu bewusst, halte ich das dünne Büchlein nah vor die Augen und versuche, die winzigen, engen Buchstaben zu entziffern, die sich wie Ameisenstraßen über das Papier ziehen. Die Notizen bestehen nur aus kurzen, halben Sätzen und sind gespickt mit seltsamen Abkürzungen und Formeln, die zu esoterisch sind, als dass ich auch nur versuchen könnte, sie zu verstehen, aber wenn das bedeutet, was ich glaube, dass es das bedeutet …
»Alex?« Ruth berührt meinen Arm. »Willst du dich setzen?«
Nein, was ich wirklich will, ist etwas schlagen. Vorzugsweise etwas Lebendes, das blutet, während es bricht.
Denn wenn ich glaube, was die fette Kröte hier geschrieben hat, war Madigans Schwangerschaft Teil der großen Unsterblichkeitsverschwörung. Der ursprüngliche Plan war, den Körper des Kindes zu übernehmen – mein Kind, meine Tochter –, sobald es, sobald sie erst ein paar Monate alt wäre. Eine so neue, ungeformte Persönlichkeit sollte einfach zu unterdrücken sein, oder zumindest lautete so Serges
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