You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
die Kinder, die, kaum geboren, zum Thema der Presse wurden. Zuerst heizte man die Spekulationen angesichts der Schleier und Gesichtsmasken an, die sie trugen. Angeblich sollte damit die fehlende Ähnlichkeit mit meinem Bruder überspielt werden. Doch die Tarnungen waren nicht Michaels Idee. Zuerst sollte eigentlich nur die Privatsphäre der Kleinen geschützt werden, aber dann bestand Debbie auf solchen Sicherheitsvorkehrungen, denn sie befürchtete eine mögliche Entführung. Die Klatschpresse berichtete über die das Arrangement zwischen Michael und Debbie flankierenden finanziellen Vereinbarungen, was zu typisch kranken Drohbriefen führte, in denen Unbekannte eine Entführung androhten. Diese Kriminellen dachten wohl, dass Michael jede Summe für seine Kinder bezahlen würde. Wir hatten uns schon lange an Drohbriefe von irgendwelchen Irren gewöhnt, doch Debbie kannte so etwas nicht und war verständlicherweise mit den Nerven am Ende. Im Laufe der Jahre trugen die Kinder die Masken dann, um von Außenstehenden nicht erkannt zu werden.
Als Nächstes tauchten Gerüchte auf, Michael habe einen anonymen Samenspender mit einbezogen. Warum jemand vermutete, dass mein Bruder selbst keine Kinder bekommen konnte, liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft, genauso wie die Vorstellung, einen Spender einzusetzen. Er wollte doch seinen Nachkommen sein Erbgut und seine Persönlichkeit schenken! Ich glaube nicht, Debbie zu nahe zu treten, wenn ich verrate, dass sie ein dominantes Gen hat (Prince hatte bei der Geburt weiß-blonde Haare). Wenn ich aber in seine Augen blicke oder ihn mir im Profil anschaue, ist seine Ähnlichkeit mit Michael als Kind unverkennbar. Um ein für alle Mal alle Spekulationen zu beenden, möchte ich hier zudem auf die vererbte Vitiligo hinweisen, unter der Prince leidet. Wenn er sein Hemd auszieht, ist die Vaterschaft meines Bruders nicht mehr zu leugnen. Meine Nichten und Neffen wissen zweifelsfrei, dass Michael ihr biologischer Vater ist und sie aus Liebe gezeugt wurden – und darauf kommt es schließlich an.
Wenn ich mir Fotos von Michael ansehe, kurz nach der Trennung von Lisa Marie und vor der Geburt der Kinder – sind die Veränderungen in seinem Gesicht kaum zu verleugnen, die von kosmetischen Eingriffen stammen. Im Laufe des kommenden Jahrzehnts erreichte er den Punkt der „Verschlimmbesserung“, da er in einer solch negativen Selbstwahrnehmung gefangen war, dass er im Spiegel ein Ideal finden wollte – die Perfektion, die unerreichbar ist.
Ich weiß nicht, wie oft er sich Operationen unterzog, doch Michael ließ sich die Nase noch mehrmals korrigieren. Sein Reichtum erlaubte es meinem Bruder, dass er ob seiner Unsicherheit sein äußeres Erscheinungsbild verändern konnte, doch für uns blieb er immer derselbe Michael.
Persönlich glaube ich, dass die Ursache für seine Besessenheit von der plastischen Chirurgie in einer ausgeprägten Dysmorphophobie lag, einer Krankheit, die oft in der Kindheit oder Pubertät wurzelt und durch die der Leidende seinen Körper verzerrt wahrnimmt. Das ist meine persönliche Meinung und keine Diagnose. In all den Jahren hätte ich mir Michael am liebsten gepackt, ihn wachgerüttelt und geschrien: „Michael, kannst du nicht erkennen, wie gut du eigentlich aussiehst?“ Da es aber so ein heikles Thema war, ließ ich davon ab. Er hat zu keinem Zeitpunkt begriffen, dass sein mangelndes Selbstwertgefühl nicht mit einem Skalpell korrigiert werden konnte.
Genau darum bin ich immer noch so wütend auf die Ärzte, die es zuließen, dass er so weit ging. Bei einem Arztbesuch und einem unauffälligen Befund wäre es die Pflicht der Mediziner gewesen, ihm das unmissverständlich mitzuteilen. Traurigerweise war Michael mit seinem Aussehen niemals zufrieden. Er lernte schließlich die schmerzhafte Lektion, dass ein Gesicht nicht endlos verändert und perfektioniert werden kann, wie es bei einem Song möglich ist. Der Spiegel wurde zum größten Lügner in seinem Leben, und es stimmt mich sehr traurig, dass er seine Schönheit nie sah. Ich schrieb folgenden Satz für seine Beerdigung: „Michael, diese Welt war niemals bereit für einen so schönen Menschen wie dich.“ Damit spielte ich nicht nur auf sein Aussehen, sondern auch auf seine Gedankenwelt und seine unvergleichliche Sicht der Dinge an.
Als sie seine Stirn und das „dritte Auge“ mit einer Mixtur aus Sandelholzpaste, Kurkuma, Lehm und Asche bestrichen, spürte er eine tiefe Resonanz in seinem Inneren:
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