You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
spiritueller Hinsicht bestand zwischen uns – als Brüder und als Familie – eine starke Verbindung, auch wenn wir räumlich getrennt waren. Man wächst nicht so eng zusammen auf und verliert dann das Gefühl der Nähe. In der Vergangenheit gab es viele glückliche Zufälle, die mir die Beständigkeit dieser Beziehung vor Augen führten. Ich erinnere mich besonders gerne an die Begegnungen mit Nelson Mandela und den Nachkommen von Charlie Chaplin.
Im März 1999 begab ich mich auf eine Reise nach Johannesburg, um den vielleicht ungewöhnlichsten Menschen unserer Tage zu ehren. Für mich wurde das fast schon zur Gewohnheit, denn Nelson Mandela und ich hatten uns schon häufig getroffen. Wir traten gemeinsam in einer südafrikanischen Talkshow auf, wonach ich von ihm zu zwei Auftritten eingeladen wurde, zuerst zu seinem 80. Geburtstag und danach bei der Zeremonie, in der er seinen Nachfolger Thabo Mbeki in das Präsidentenamt einführte. Bei dieser monumentalen Veranstaltung trat ich vor 90.000 Zuschauern auf. Mit mir teilte sich der Comedian Chris Tucker die Bühne, der eine knallrote Krawatte trug, die allen augenblicklich ins Auge stach.
Drei Monate vor dem historischen Tag schlenderte ich bei einem präsidialen Empfang in einen großen Saal, in dem sich Menschen aus aller Welt lautstark unterhielten. Jemand klopfte auf meine Schulter: „Jermaine? Dein Bruder ist auch hier.“
„Welcher Bruder.“
„Michael – dort drüben“, sagte der Mann und zeigte auf eine Person in einer schwarzen Militärjacke und mit einer verspiegelten Sonnenbrille am anderen Ende des Raumes. Ich ging hinüber und positionierte mich etwas abseits von ihm, sodass er mich eher zufällig erkannte. „Erms! Was machst du denn hier?“, schreckte er hoch, völlig verblüfft. „Und was macht du hier?“, erwiderte ich lachend.
„Ich wurde von Madeba eingeladen“, meinte er, dabei den Stammesnamen unseres Gastgebers zitierend.
„Ich auch!“
Mandela war ein großer Fan von Michael, nachdem er ihn auf der 97er-Südafrika-Tour gesehen hatte. Keiner von uns hätte sich träumen lassen, dass wir durch einen bizarren Zufall auf derselben Veranstaltung treffen würden, die 16 Flugstunden von unserer Heimat entfernt angesetzt war. Wir einigten uns darauf, noch einige Zeit miteinander zu verbringen, bevor ich nach Swasiland reisen musste, und stürzten uns danach einzeln ins Getümmel, um die Gäste zu begrüßen.
Dann begann die Zeremonie, und wir suchten unsere Plätze auf. Ich sah Michael, wie er zu derselben Stuhlreihe ging, zu der ich auch wollte. Wir setzten uns direkt vor den „Thron“, auf dem Mandela gleich Platz nehmen würde. Wir erkannten, dass die Sitzordnung von den Organisatoren so geplant war: Michael saß zu Mandelas Rechten und ich zu seiner Linken. Wir mussten wieder lachen, denn es wirkte so, als wären wir Mandelas Leibstandarte. Wir empfanden das als eine sehr große Ehre, denn wir flankierten den angesehensten politischen Kämpfer unserer Zeit. Es war annähernd so beeindruckend, als träten wir in die Fußstapfen des besten Entertainers aller Zeiten.
Als ich im Keller von Charlie Chaplins Schweizer Haus in Vevey herumspazierte, dachte ich an die unzähligen Sketche, die Michael von seinem Helden über all die Jahre nachgezeichnet hatte. Michael wurde sicherlich von Fred Astaire und James Brown beeinflusst, doch Charlie Chaplin faszinierte ihn wegen seines stillen Nimbus. Die Einladung seiner Söhne auf den Familiensitz, nahe des Genfer Sees, von dem aus die Alpen zu sehen waren, stellte für mich ein unvergleichliches Privileg dar. Eugene und Michael Chaplin veranstalteten ein jährlich stattfindendes Filmfestival, bei dem ich als Juror verschiedene Independent-Filme bewerteten sollte.
Als ich das idyllische Fleckchen Erde erreichte, fiel es mir leicht, Chaplins Entscheidung zu verstehen, die USA zu verlassen, bedrängt von den Medien wegen seiner politischen Überzeugungen und seines Liebeslebens. In dieser zurückgezogenen Umgebung fand er Trost und eine gewisse „Normalität“. Nichts schien sich in der Zeit zwischen Charlie Chaplins Ruhmestagen und der Ära von Michaels Popularität verändert zu haben.
Während meiner Schulzeit blätterte ich im Atlas, um die Seiten zu finden, auf denen Europa und die Schweiz behandelt wurden. Ich starrte auf die Landkarten, fand Fotos und begann zu träumen. Eines Tages erzählte ich der Lehrerin, dass ich einmal in der Schweiz leben würde. Sie musste über diese Art
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