Young Sherlock Holmes 2
Echsen.«
Virginia kam hinzu und blickte besorgt über ihre Schulter. »Wir haben wohl keine große Wahl«, bemerkte sie.
Matty trat mit Wucht gegen die Tür. Doch die bewegte sich kaum.
In Sherlocks Kopf wirbelten widerstreitende Gedanken wild durcheinander. Es gab zwei Möglichkeiten: zwei der Reptilien erschießen, wobei eins dann immer noch am Leben war, oder auf das Schloss schießen und dabei vermutlich die Kugeln verschwenden. Wofür sollte er sich entscheiden?
Da meldete sich eine innere Stimme in der Gedankenflut zu Wort: Was würde Mycroft sagen? Und was Amyus Crowe? Und ebenso wie im Zug antwortete die Stimme:
Hast du nur zwei Möglichkeiten, die dir beide nicht gefallen, dann sorge für eine dritte.
Sein Blick glitt über die Wasseroberfläche des Teiches, und plötzlich fielen ihm wieder die Stufen neben der Treppe ein, auf der sie zum Balkon hochgegangen waren. Die Stufen, die
abwärts
geführt hatten. Sie konnten unmöglich zur Gittertür führen, denn die ging ganz offensichtlich auf offenes Gelände hinaus. Nein, sie mussten woandershin führen. Der Teich befand sich auf dieser Seite der Mauer, und Balthassar hatte davon gesprochen, die Reptilien dabei beobachten zu wollen, wie sie ihre Nahrung zwischen Felsspalten unter Wasser verstauten. Vielleicht führten die Stufen ja zu einem unterirdischen Fenster. Einem Raum mit dicken Glasscheiben, durch die Balthassar und seine Gäste die Reptilien unter Wasser beobachten konnten.
Aber wie sollte Sherlock das Glas – wenn es sich denn dort unten befand – überhaupt durchbrechen? Schließlich würde es extrem dick sein, um dem Wasserdruck standhalten zu können.
Die Antwort lag nahe: Alles, was er zu tun hatte, war einen höheren Druck zu erzeugen, als das Fenster aushalten würde.
Er nahm Matty den Derringer aus der Hand. Zwei Abzüge, natürlich, was bei zwei Läufen auch einleuchtete. Schließlich wollte man sie ja auch einzeln abfeuern können. Er blickte nachdenklich in die Läufe. »Du hast doch früher mal so eine gehabt«, sagte er zu Virginia. »Wie lädt man sie?«
»Du streust etwas Schwarzpulver in die Läufe, und dann rammst du jeweils eine ummantelte Kugel hinein«, erklärte sie. »Wobei du darauf achten musst, dass keine Luft zwischen der Kugel und dem Pulver bleibt. Anschließend platzierst du ein Zündhütchen ans andere Ende des Laufes. Dann ist die Waffe geladen und schussbereit.«
»Ummantelte Kugel?«, fragte Sherlock und schaute noch einmal genauer in die beiden Pistolenläufe. »Ah, ja, ich sehe, die Kugel ist in Papier eingewickelt. Das muss als so eine Art Dichtung fungieren.«
»Wachspapier ist das. Warum ist das so wichtig?«
»Weil das bedeutet, dass es luftdicht abgeschlossen ist«, erwiderte er. »Zumindest für kurze Zeit. Und wenn’s luftdicht ist, ist es auch wasserdicht.«
Bevor Virginia irgendetwas sagen konnte, wandte Sherlock sich um und rannte auf den Teich zu, wobei er die beiden Abzüge im Laufen spannte. Als er den Rand des Gewässers erreicht hatte, hechtete er mit nach vorne ausgestreckten Armen in den Teich, den Derringer fest umklammert. Das warme Wasser schlug über ihm zusammen. Es war durchzogen von Dreck- und Pflanzenteilen und dämpfte augenblicklich jedweden Laut. Sherlock trat kräftig mit den Beinen aus und hielt auf die Mauer unterhalb des Balkons zu.
Und tatsächlich. Dort, wo es sich seiner Überlegung nach befinden musste, sah er ein in einen Metallrahmen eingepasstes Fenster. Er schwamm darauf zu, und bevor zu viel Wasser in den Derringer eindringen konnte, presste er die Doppelmündung gegen das Glas.
Dann drückte er gleichzeitig beide Abzüge.
Irgendwo in den hintersten Windungen seines Gehirns war das einmal angelesene und nie vergessene Wissen abgespeichert, dass Wasser inkompressibel war. Egal wie sehr man es auch zusammenpresste, es erhöhte niemals seine Dichte. Alles, was passierte, war, dass es den ausgeübten Druck weiterleitete und übertrug. Auf schlichtweg alles, womit es in Berührung war.
Am hinteren Ende der Waffe trafen die beiden Abzüge mit voller Wucht auf die Zündhütchen, deren Knallquecksilberfüllung sich daraufhin entzündete. Dies führte dazu, dass im Schwarzpulver Schwefel, Holzkohle und Kaliumnitrat in einer heftigen und raschen Reaktion verbrannten, wodurch eine große Menge heißen Gases entstand. Dieses trieb die Kugeln die Läufe entlang und verbrannte dabei die Papierummantelung. Die Kugeln drückten gegen das in den Läufen befindliche
Weitere Kostenlose Bücher