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Young Sherlock Holmes 2

Young Sherlock Holmes 2

Titel: Young Sherlock Holmes 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Lane
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mit einer Holzleiste versehen waren. Sie verliefen parallel zur Matratze und waren zudem ein gutes Stück höher als diese. Vermutlich sollte damit verhindert werden, dass die Leute im Schlaf hinausfielen. Aber er konnte es bildlich vor sich sehen, wie die Passagiere bei entsprechend rauem Seegang wie Murmeln in einer Keksdose in ihren Kojen hin- und herkullerten.
    »Was die Matratzen anbelangt, habe ich allerdings so meine Zweifel«, fuhr Crowe mit abfälliger Stimme fort und drückte skeptisch mit der Hand auf eine, um die Qualität zu testen. Für Sherlock sahen sie jedoch dicker aus als seine Matratze daheim in Holmes Manor. Aber taktvollerweise schwieg er lieber.
    Nachdem ihr Gepäck gebracht worden war, kehrten sie auf das Hauptdeck zurück, um das Ablegemanöver zu beobachten. Als sie an Deck kamen, wurde gerade die Gangway hochgezogen, und die Menge auf dem Kai stand dicht zusammengedrängt und winkte den Leuten auf dem Schiff zu. Sherlock wollte nach Mycrofts mondförmigem Gesicht Ausschau halten, aber ihm war klar, dass Mycroft schon fort sein würde. Sherlocks Bruder war kein sentimentaler Mann, und er hasste es, Abschied zu nehmen.
    Sherlocks Hand glitt in seine Jackentasche hinab, in der er das Buch verstaut hatte, das Mycroft ihm gegeben hatte. Er freute sich sehr über das unerwartete Geschenk, und nahm sich vor, das Buch ganz zu lesen – selbst wenn es auf Griechisch war.
    Tief im Bauch des Schiffes erwachten die Maschinen zum Leben, und Sherlock konnte nicht nur ihr mächtiges Wummern hören, sondern sogar ihre Vibrationen durch das Holz des Schiffsdeckes hindurch spüren. Urplötzlich kam ihm die schreckliche Erkenntnis, dass der Lärm der Dampfmaschinen für die nächsten acht Tage ihr ständiger Begleiter sein würde. Wie sollte er da schlafen? Und wie sollte man sich bei dem Krach nur mit jemandem unterhalten? Er tröstete sich damit, dass er sich vermutlich daran gewöhnen würde, auch wenn er sich das im Moment noch nicht recht vorstellen konnte.
    Im nächsten Augenblick wurden die Leinen gelöst, mit denen die
SS Scotia
an den Pollern am Pier vertäut war. Wie leichte, flatternde Bänder hingen sie an der Schiffsseite herunter, obwohl es sich tatsächlich um starke Trossen handelte, die so dick waren wie Sherlocks Faust. Dann begannen sich die riesigen Schaufelräder zu drehen. Schäumend wirbelte das Wasser auf, und langsam schob sich das Schiff vom Pier. Eine Dampfpfeife ertönte, woraufhin die Menschen unten am Pier in begeisterten Jubel ausbrachen, als hätte niemand von ihnen so etwas schon einmal erlebt. Mützen, Hüte und Hauben wurden in der Luft geschwenkt, und die an Deck versammelten Passagiere taten es ihren Freunden und Verwandten gleich.
    Auf einmal wurde Sherlock von Trauer und Schuldgefühlen ergriffen. Er wünschte, Matty könnte bei ihnen sein. Alles, was er wollte, war, dass Matty in Sicherheit war. In Gedanken sah er immer wieder Bilder vor sich, in denen seinem Freund etwas Schreckliches passierte, und er musste sich regelrecht zwingen, sie zu verdrängen. Ives und Berle hatten keinen Grund, Matty etwas anzutun. Schließlich war er ihre Lebensversicherung.
    Die Frage war nur, ob Ives und Berle ebenso logisch dachten wie Sherlock.
    Um sich von den trüben Gedanken etwas abzulenken, blickte Sherlock umher und wurde auf einen Mann in der Nähe aufmerksam. Er stand allein für sich und hielt etwas in der Hand, das aussah wie ein Violinenkasten. Doch anstatt wie die anderen auf die Menge am Pier zu schauen, sah er in die entgegengesetzte Richtung hinaus aufs Meer. Er war mager, und sein schwarzes Haar war länger, als es bei einem Mann gewöhnlich der Fall war. Er trug ein Kordjackett und eine Kordhose und war Sherlocks Vermutung nach etwa in den Dreißigern. Der Fremde hob eine Hand, um die Augen vor der Sonne abzuschirmen, und Sherlock fiel auf, wie lang und dünn seine Finger waren. Plötzlich blickte er zur Seite und sah Sherlock an. Lächelnd führte er die Hand zu einem lässigen Gruß an die Stirn. Er hatte grüne Augen, und sein breites Grinsen ließ einen blitzenden Goldzahn weit hinten im Mund erkennen.
    »Der Beginn eines Abenteuers«, rief er. Aus seiner Stimme war ein leichter irischer Akzent herauszuhören.
    »Acht Tage auf See und nichts anderes zu tun, als herumzuschlendern und Bücher zu lesen«, rief Sherlock zurück, der sich, durch die allgemeine Begeisterung des Reisebeginns beschwingt, bereitwillig auf ein Gespräch mit einem völlig Fremden einließ.

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