Young Sherlock Holmes 3
panisch zugleich schlug er mit der rechten Hand um sich. Seine Knöchel trafen den Vogel gegen die Brust, und das Tier wurde nach hinten geschleudert. Flügel schwingend, erhob er sich wieder in die Luft. Aber anstatt sich zurückzuziehen, kam er gleich wieder auf Sherlock zugeschossen.
Während er sein Gesicht mit einem Arm schützte, schlug er mit dem anderen zu. Hätte er getroffen, hätte er dem Vogel vermutlich die Schwinge gebrochen. Doch das Tier war zu schnell für ihn. Der Falke machte mitten in der Luft einen Schlenker und wich seiner Faust aus. Sherlock beobachtete, wie er in einem Gang zwischen den Schaukästen davonflog und kurz mit ausgebreiteten Schwingen auf den Boden zuglitt, ehe er mit einem kräftigen Flügelschlag wieder in steilem Bogen in die Luft schoss, um einem Schaukasten in seiner Flugbahn auszuweichen.
Mit rasselndem Atem beugte Sherlock sich ein paar Sekunden lang vor und ließ die Hände auf den Knien ruhen. Er spürte, wie ihm das Blut in Hals und Schläfen pochte.
Immer noch vornübergebeugt, verspürte er plötzlich ein Kribbeln im Nacken. Er richtete sich abrupt auf und blickte sich um. Viele Augen starrten ihn an, doch alle waren aus Glas. Aufmerksam sondierte er die im Schatten liegenden Bereiche in Deckennähe nach irgendwelchen Spuren des Vogels. Er konnte ihn nirgends sehen. Der Falke ihn jedoch schon. Das spürte er.
Wer immer den Vogel auch lenkte, erwartete vermutlich, dass Sherlock wieder umkehren würde, und zwar zu dem Ausgang, zu dem er eigentlich unterwegs gewesen war.
Also ging er in die Richtung weiter, in die der Falke verschwunden war. Zumindest hatte das den Vorteil, dass man es wohl nicht von ihm erwartete.
Er gelangte zu dem großen Schaukasten, hinter dem der Vogel verschwunden war. Darin war eine Schar kleinerer Vögel mit gespreizten Flügeln zu sehen, die mit Hilfe von Drähten mitten in der Flugbewegung dargestellt waren. Hier teilte sich der Gang nach rechts und links. Er entschied sich aufs Geratewohl für rechts und kam an einem Bereich mit Seemöwen vorbei. Weiter hinten bog dieser Gang wiederum nach rechts ab. Dort angelangt, blieb Sherlock erst einmal stehen und lugte vorsichtig um die Ecke.
Vor ihm erstreckte sich eine freie Fläche, die auf der anderen Seite vor einer mächtigen Holztür endete. Dort gelangte man offensichtlich in den nächsten Raum.
Durch wandhohe Fenster auf beiden Seiten flutete helles Sonnenlicht herein. In der Mitte des Raumes stand ein Mann. Obwohl dieser ihm das Gesicht zugewandt hatte, konnte Sherlock im blendend hellen Licht kaum mehr als seine Silhouette erkennen. Er nahm lediglich eine massige, breitschultrige Gestalt wahr, doch Gesichtszüge waren nicht auszumachen.
Während der Mann mit der einen Hand das Gewicht auf einen Spazierstock stützte, hielt er die andere gerade ausgestreckt, um den Falken zu tragen.
Das Tier war ganz offensichtlich beunruhigt: Der Kopf ruckte ruhelos hin und her, und permanent verlagerte der Vogel das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Der Mann redete mit ruhiger Stimme auf den Falken ein, und nach und nach entspannte sich der Vogel, bis er schließlich bewegungslos und wachsam auf dem Arm hockte.
Der Mann wandte den Kopf und sah nach links und rechts. Der Vogel machte es ihm nach. Blitzschnell zog Sherlock den Kopf zurück, um nicht entdeckt zu werden.
Was nun?
Durch die Tür vor ihm konnte er nicht. Der Mann versperrte ihm den Weg. Er musste zurück und wieder durch die Tür, durch die er gekommen war.
Da kam ihm ein Gedanke. Er streifte die Schuhe ab und steckte sie in die Jackentaschen. Auf Socken würde er auf dem harten Holzboden weniger Lärm machen. Vorsichtig bewegte er sich zurück, bevor er sich umdrehte und den Gang entlangrannte. Was den genauen Weg anbelangte, so hatte er den Überblick verloren. Doch dies hier war ein Museum und kein Labyrinth. Solange die grobe Richtung stimmte, würde er schon zurechtkommen.
Er bog nach links ab und anschließend wieder nach rechts. Doch immer noch starrten ihn von allen Seiten Vögel mit kalten Augen an. Vielleicht hatte er sie schon einmal gesehen, vielleicht aber auch nicht. Allmählich verschwammen sie allesamt zu einem einzigen konturlosen Sinneseindruck.
Dann erneut ein leerer Glasschaukasten! Dies war die Stelle, an der er zuvor durch das Glas den Falken auf dem Mauersims dahinter gesehen hatte.
Nun meinte er den richtigen Weg zu kennen. Nur noch um zwei weitere Ecken, dann …
Etwas traf ihn so hart zwischen den
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