Young Sherlock Holmes 3
Dunkelheit.
»Ach, ja, fast hätte ich es vergessen«, sagte Mycroft. »Auch wenn sich der Rest des Orchesters erst später zu uns gesellt, so möchte ich dir doch schon Mr Eves vorstellen. Er ist der Dirigent und für die musikalischen Arrangements verantwortlich.«
»Mr Eves«, begrüßte Sherlock ihn.
»Master … Eckersley«, erwiderte der Dirigent. Seine Stimme klang trocken und prägnant. »Freut mich
wirklich
, Sie kennenzulernen.«
»Mr Kyte, Ladys und Gentlemen«, verkündete Mycroft – oder besser gesagt Mr Sigerson, wie Sherlock ihn vermutlich nun besser auch für sich selbst nennen sollte –, »danke, dass Sie uns in Ihr Ensemble, Ihr Vertrauen und, wie ich hoffe, auch in Ihre Herzen aufgenommen haben. Mr Kyte hat meine Referenzen gesehen und weiß, dass Sie darauf vertrauen können, dass ich Ihnen ebenso verantwortungsvoll dienen werde, wie ich das in der Vergangenheit für andere Theaterensembles getan habe. Was mich anbelangt, so verbürge ich mich dafür, Ihnen als Generalmanager nach besten Kräften zu dienen und dafür zu sorgen, dass für Sie stets alles erfolgreich vorangeht. In diesem Zusammenhang gehört es zu meiner ersten Amtspflicht sicherzustellen, dass die bevorstehende Reise nach Moskau reibungslos über die Bühne geht. Mein Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass alle Geschäftsangelegenheiten glatt und schmerzlos vonstattengehen, so dass Sie sich voll und ganz auf Ihre künstlerischen Aufgaben konzentrieren können. Setzen Sie Ihr Vertrauen in mich, und ich werde Sie nicht enttäuschen.«
Vereinzelter Applaus folgte seinen Worten.
»Und damit«, knurrte Mr Kyte, »schlage ich vor, dass wir uns wieder den Proben widmen. Fünf Minuten, Leute, dann will ich alle wieder auf der Bühne sehen. Denkt dran: Schon in drei Tagen geht’s nach Moskau!«
11
Die folgende Woche ging wie in einem fiebrigen Traum dahin. Nachdem sie noch ein paar Tage lang in London geblieben waren, während denen Mycroft sich um die letzten Details ihrer Reise kümmerte, hatte Sherlock schließlich zusammen mit den anderen in Charing Cross Station einen Zug bestiegen. Hätte es sich um Waterloo Station gehandelt, wäre er in Erinnerung an die Verfolgungsjagd in den Tunneln womöglich nervöser gewesen. Aber Charing Cross war ein kleinerer, überschaubarer Bahnhof ohne jegliche böse Assoziationen. Der Zug hatte sie durch die vertraute englische Landschaft nach Dover gebracht, wo die Reise per Schiff weiterging, das sie über den Englischen Kanal nach Frankreich brachte. In Dünkirchen hatten sie einen anderen Zug bestiegen und würden schon in fünf Tagen Moskau erreicht haben. In fünf Tagen durch ganz Europa! Es war unfassbar!
Die Unterbringung war ziemlich einfach. Die Sitze waren kaum gepolstert und Betten gab es nicht. Stattdessen schliefen die Mitglieder der Theatergruppe einfach dort, wo sie gerade saßen – wenn möglich, lang über die Sitze ausgestreckt.
Die Musiker, denen Sherlock nicht vorgestellt worden war, saßen für sich und schienen die ganze Zeit über zu schlafen oder Dame auf kleinen Falttischchen zu spielen. Nur Mycroft und Mr Kyte hatten separate Abteile, entsprechend ihrer Stellung als Generalmanager und Theaterintendant von
Kytes Theatre-Company
. Sie blieben die meiste Zeit für sich allein. Sherlock verbrachte einen Großteil der Zeit damit, am Fenster zu sitzen und zuzuschauen, wie die Landschaft an ihm vorbeizog. Namen, die er bisher nur aus Atlanten kannte, nahmen nun vor seinen Augen konkret Gestalt an: Länder zum Beispiel wie Belgien und Preußen, aber auch Ortschaften und Städte wie Brüssel, Köln, Berlin, Warschau und Minsk.
Er starrte gerade aus dem Fenster und beobachtete, wie weite Landstreifen mit Tannenwäldern vorbeizogen, als Mrs Loran neben ihm Platz nahm.
»Du scheinst einsam zu sein«, sagte sie. »Ich dachte mir, du würdest dich vielleicht über einen kleinen Plausch freuen.«
»Mir geht’s gut. Ich finde es nur faszinierend wie … na ja, wie sich während der Reise einige Dinge wie Sprachen und Essen ändern, andere Dinge hingegen wie Pflanzen und Tiere mehr oder weniger gleich bleiben. Überall gibt es zum Beispiel Vögel und Katzen.«
»Und Würste«, hob sie hervor. »Ich glaube nicht, dass es in irgendeinem Land auf der Welt keine Würste gibt.« Mitfühlend betrachtete sie ihn eine Weile. »Dein Mentor, Mr Sigerson, scheint nicht viel Zeit für dich auf dieser Reise zu haben«, sagte sie schließlich.
»Er hat viel zu tun«, erwiderte Sherlock, im
Weitere Kostenlose Bücher