Young Sherlock Holmes 4
war immer noch nicht sicher, welche Gefühle Virginia für ihn hegte, wohingegen ihm seine Gefühle ihr gegenüber immer bewusster wurden. »Na ja«, schloss er lahm, »sie hätte bestimmt auch etwas gesagt. Wir müssen uns weiter umsehen.«
Bevor Sherlock sich in Bewegung setzen konnte, sprach Matty Sherlocks größte Befürchtung aus. »Ja, da müssen die beiden Kerle vom Markt dahinterstecken. Jede Wette, dass sie hergekommen sind und sich Mr Crowe und Virginia geschnappt haben. Entweder das oder Mr Crowe hat irgendwie Wind davon bekommen, dass sie im Anmarsch sind, und hat sich mit Virginia aus dem Staub gemacht. Aber warum sollte jemand hinter Mr Crowe her sein?«
Sherlock dachte einen Augenblick lang nach und rief sich die kleinen Informationsschnipsel ins Gedächtnis, die Crowe über sein vergangenes Leben in Amerika hin und wieder hatte fallen lassen – darüber zum Beispiel, dass er nach dem amerikanischen Bürgerkrieg als Kopfgeldjäger hinter entflohenen Kriminellen her gewesen war. »Ich glaube, Mr Crowe hat sich in Amerika eine Menge Feinde gemacht. Vielleicht ist er deswegen mit Virginia hergekommen. Und womöglich hat ihn etwas aus seiner Vergangenheit eingeholt.«
»Dann muss es was echt Gruseliges sein, wenn er davor wegrennt, statt zu kämpfen. Du weißt, wie groß und grimmig er ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mr Crowe vor irgendetwas Kleinerem als einem durchgedrehten Elefanten Angst haben könnte.«
Sherlock blickte durch den Raum zu Matty hinüber. »Wann hast du denn mal einen Elefanten gesehen?«
Matty runzelte die Stirn. »Auf Bildern eben.«
»Nein«, fuhr Sherlock fort. »Hier stimmt definitiv etwas nicht.« Wütend schlug er sich mit der geballten Faust auf den Oberschenkel. »Ich muss nur herausfinden, was.«
»Vielleicht draußen?«, schlug Matty vor.
»Wir könnten uns mal umschauen«, stimmte Sherlock zu. »Konzentrieren wir uns auf die Außenwände und von dort aus auf einen Bereich von ungefähr zwei Metern. Sonst durchforsten wir am Ende noch die ganze Landschaft.«
Sie gingen zur Tür hinaus. Automatisch wandte sich Sherlock nach rechts, während sich Matty nach links begab. Aufmerksam musterte Sherlock die Ziegelsteinwände sowie das Strohdach des Cottage. Unablässig glitt sein Blick über Mauerwerk und Dach, während er weiter voranging. Er kam an zwei Fenstern und einem Blauregen vorbei, der an der Hauswand emporrankte. Aber er konnte nichts erkennen, was irgendwie ungewöhnlich oder fehl am Platz wirkte. Er überlegte, ob irgendetwas ins Stroh der Dachkonstruktion gesteckt worden sein könnte, sei es nun von draußen oder von drinnen durch eines der Fenster. Aber sogleich verwarf er die Idee wieder. Wenn Amyus Crowe eine Nachricht hinterlassen hatte, so würde er sie an einer leichter zugänglichen Stelle hinterlegen – an einem Ort, von dem er wusste, dass Sherlock dort nachsehen würde.
Er hatte das Gebäude annähernd zur Hälfte umrundet, als er fast über einen Gegenstand gestolpert wäre, der auf dem Boden lag. Einen kurzen Moment dachte er, es wäre eine Schlange, und machte hastig einen Satz zurück. Aber das Ding bewegte sich nicht, und für eine Schlange war es zu braun und staubbedeckt. Er bückte sich, um einen Blick darauf zu werfen. Es war eine Art Schlauch. Er bestand aus Leinwand, doch war er von innen mit irgendwelchen Reifen verstärkt, die verhinderten, dass er in sich zusammenfiel. Er verlief von einem Loch in der Hauswand bis zu einem Wiesenstreifen, wo er schließlich im hohen Gras verschwand. Irgendein Experiment, das Amyus Crowe durchführte? Das war das Einzige, was ihm dazu einfiel. Aber auf eine Idee, wo Mr Crowe und Virginia geblieben waren, brachte ihn das auch nicht.
Gleich darauf traf er wieder mit Matty zusammen.
»Hast du irgendetwas Ungewöhnliches entdeckt?«, fragte Sherlock.
»Nichts.« Matty runzelte kurz die Stirn. »Abgesehen von einem toten Kaninchen. Na ja, jedenfalls einem Großteil davon. Der Kopf fehlte.«
»Wo war es? Lag es einfach so auf dem Boden?«
Matty schüttelte den Kopf. »Lag unter einem Stapel Holzscheite begraben. Sah aus, als wäre es absichtlich so dort hingelegt worden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, warum.«
Sherlock ließ die Information eine Weile in seinem Kopf kreisen. »Ein totes Kaninchen ohne Kopf?«, sagte er schließlich. »Ich muss zugeben, wenn das eine Nachricht ist, dann ist sie ziemlich kryptisch.« Er seufzte. »Los, komm, lass uns weitermachen. Wir treffen uns
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