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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Atems glitt über ihre Stirn, ruhig und gleichmäßig, und Ysobel blieb ganz still liegen, damit sie Jos’ Schlummer nicht störte. Sie war zufrieden damit, in seinen Armen zu liegen, an seine breite Brust gedrückt, verschmolzen mit ihm. So konnte sie den Traum träumen, dass er ihr gehörte.
    Für eine wunderbare Spanne zwischen den Zeiten fühlte sie sich wunschlos glücklich, geliebt und behütet. Hier im Dunkeln konnte sie alle Vorsicht vergessen und ihr Herz öffnen. Es gehörte ihr ohnehin nicht mehr. Sie hatte es gegen eine kleine geschnitzte Möwe eingetauscht. Welch ein Glück, dass die Witwe Kennec keine Ahnung davon gehabt hatte. Wer konnte schon wissen, ob sie in einem solchen Fall ihre Botschaft überhaupt weitergegeben hätte.
    Ysobel entdeckte, dass sie ein unerwartetes Verständnis für die Eifersucht dieser Frau empfand. Jos gehörte zu den Männern, die man ganz allein besitzen wollte. Die einer Frau so viel Seligkeit schenkten, dass der bloße Gedanke daran, sie zu teilen, sie den bitteren Geschmack der Eifersucht spüren ließ. In dieser Stunde gehörte er jedoch ganz allein ihr, da konnte sie es sich leisten, Mitleid und Verständnis zu zeigen.
    Sie lächelte im Dunkeln über diese absurden Gedanken, und noch während dieses Lächelns fielen ihr die Lider zu, und ihre Atemzüge wurden so ruhig und gleichmäßig wie die des Mannes.

10. Kapitel
    Die Zugbrücke senkte sich, und die Tore der Burg schwangen wie jeden Morgen für die Geschäfte des Tages auf. Die Sonne berührte eben erst den Horizont und rief kaum mehr als ein rosiges Glühen hinter den silbrigen Nebelschwaden des Morgens hervor. Selbst die Hähne im Hühnerhof hatten noch die Köpfe unter den Flügeln versteckt. Friedliche Stille lag über den Dächern, Türmen und Mauern von Locronan.
    Das leise Ächzen der Balkenplattform, die an einer lautlos geölten Kette den Burggraben überspannte, klang wie das Seufzen einer müden Seele. Den Männern an den Winden traten vor Aufregung die Muskeln hervor; sie hatten den strikten Befehl, jedes unnötige Geräusch zu vermeiden. Auch die bis an die Zähne bewaffneten Krieger, die sich vor dem Burgtor versammelt hatten und auf den Angriffsbefehl warteten, hielten sich an diese Order.
    Es war ein wüster, ungeordneter Haufen aus Reitern, Bogenschützen und Fußsoldaten, die keine einheitlichen Waffenröcke, sondern die bunten Beutestücke ihres Handwerks trugen. Ähnlichkeit mit einem richtigen Heer hatten sie lediglich, wenn man ihre Kriegswerkzeuge betrachtete. Gefährliche Hellebarden, Spieße, Lanzen, Morgensterne, Schwerter und Dolche blitzten tödlich scharf im ersten Licht.
    Der Wind kam wie üblich vom Meer und pfiff der bedrohlichen Schar, die trotz aller Reglosigkeit eine Aura von mühsam gebändigter Gewalt verbreitete, durch die Hutfedern und Helmbüschen. Endlich ruhte die Brücke sicher in den Kerben auf der anderen Seite. Das innere Tor der Festung schwang knarrend auf.
    »Vorwärts!«
    Paskal Cocherel, Herzog von St. Cado und Anführer dieser blutrünstigen Söldnermeute, brauchte in der morgendlichen Stille nicht einmal die Stimme zu heben, damit jeder sein Kommando verstand. Die Burg von Locronan gehörte ihm, noch ehe der letzte Mann über die Zugbrücke gedonnert war. Die Bogenschützen und Söldner, die er Gratien de Locronan und seiner Gemahlin zur Verfügung gestellt hatte, um jene Geschäfte abzuwickeln, für die er ihre Küste missbrauchte, befolgten ihre Anweisungen genauestens.
    Als der grauhaarige Burghauptmann, der nur pro forma das Kommando über sie führte, aus seinem Quartier taumelte, um schlaftrunken nach der Ursache des infernalischen Lärmes zu forschen, lief er geradewegs in Gordiens Schwert. Das letzte, was er in seinem Leben erblickte, war das Gemetzel im großen Hof vor dem Haupthaus der Burg. Knechte und Bedienstete, die halb angekleidet und kaum bewaffnet niedergemacht wurden, bis ihr Blut den Boden in Schlick verwandelte.
    Es war sein heiserer Aufschrei, der durch das offene Fenster sogar in den unruhigen Schlummer des Burgherrn drang, der sich frierend, desorientiert und mit brummendem Schädel in seinem Alkoven aufrichtete. Hatte er geträumt? Neuerliche Schreie und das schrille Kreischen einer Frauenstimme bewiesen ihm das Gegenteil.
    Gratien de Locronan stolperte fluchend auf die Beine und taumelte wütend aus dem Gemach, den Gang entlang und die neue steinerne Treppe in die Halle hinunter. Dort, wo normalerweise das Gesinde schlief, herrschte

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