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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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helle Aufregung und schreckliches Getöse. Durch das offene Portal drängten sich Männer mit gezückten Schwertern und erhobenen Streitäxten. Sein benommener Verstand nahm die Szene wahr, ohne sie begreifen zu können.
    Bei Gott, was geschah hier eigentlich? Einer der Hausknechte entdeckte den Baron und wollte sich bei ihm in Sicherheit bringen, doch zwei Schritte vor Gratien brach er mit einem Stöhnen in die Knie und fiel vornüber. Ein Dolch steckte bis zum Heft zwischen seinen Schulterblättern, und das Blut kroch gleich einer tödlichen Schlange über sein Wams.
    »Eine falsche Bewegung, und Ihr teilt das Schicksal dieses Mannes, mein Lieber!«, sagte eine kalte Stimme, und Grafien drehte sich nach dem Sprecher um.
    In seinem pelzgefütterten Umhang, den Kriegshelm unter dem Arm geklemmt, mit gesträubtem grauen Haar und dem Blick eines wütenden Raubvogels stand Paskal Cocherel da – und er erschien Gratien wie eine Ausgeburt der Hölle. Der Satan in Person, der Tod und Verderben über Locronan brachte. Hatte er es Mathilda nicht prophezeit?
    In diesem Moment wich auch der letzte Anflug von Trunkenheit aus dem betäubten Hirn des Barons. Er richtete sich auf und tastete unwillkürlich nach einer Waffe an seinem Gürtel. Er trug keine. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Male seine Schwertkunst geübt hatte und wo sich das Gehänge mit der Waffe eigentlich befand. Dennoch wurde er schlagartig wieder zum Herrn von Locronan, als er den Söldnerführer mit eindeutigem Abscheu betrachtete.
    »Woher nehmt Ihr das Recht, dieses Haus mit Blut und Schrecken heimzusuchen?«, rief er empört. »Was tut Ihr hier?«
    »Sieht man das nicht?«, fragte Paskal Cocherel schneidend. »Ich übernehme diese Burg. Wenn Euch Euer Leben lieb ist, dann haltet den Mund und schweigt. Das heißt, falls Ihr es könnt, was ich bezweifle!
    »Schurke!« Ehe der Söldner neben Cocherel begriff, was der Burgherr plante, hatte jener ihm das gezückte Schwert aus der Hand gerissen und drang damit auf den falschen Herzog ein. »Verteidigt Euch!«
    »Macht Euch nicht lächerlich«, brummte Cocherel und machte sich nicht einmal die Mühe, die eigene Waffe auch nur anzuheben.
    Gratien de Locronan sah sich schnell in der Halle um. Die ehrwürdigen Standarten und Fahnen der Locronans hingen fern im hohen Deckengewölbe. Die Todesschreie um ihn herum, der metallische Geruch des frischen Blutes, der Gestank von Angst und menschlichen Exkrementen konnten sie nicht berühren. Sie waren unantastbare Symbole der Ehre seines Hauses. Einer Ehre, die er gemeinsam mit seiner Gemahlin verraten und verkauft hatte. Wieso wurde ihm das erst jetzt in vollem, schrecklichem Umfange klar?
    »Ich fordere Euch auf Leben und Tod!«, rief er verzweifelt und machte einen Ausfallschritt auf den Söldnerführer zu. Der alte Wolf warf sich freilich mit einer Wendigkeit zur Seite, die Gratien dem massigen Mann nie und nimmer zugetraut hätte. Er registrierte auch nicht die Bewegung, mit der Cocherel endlich sein eigenes Schwert zog, und der darauf folgende Hieb traf ihn mitten in die Brust, ohne dass er sich auch nur hätte verteidigen können.
    Der Stoß ließ den verwirrten Herrn von Locronan über die eigenen Füße stolpern. Eine seltsame, nie gefühlte Kälte verbreitete sich mit einem Schlag in seinem Körper, und seine Augen weiteten sich in fassungslosem Staunen. Er war bereits tot, als sein Hinterkopf den Boden berührte.
    »Welch ein Narr!«, knurrte Cocherel und riss sein Schwert aus der Wunde. Er reinigte es oberflächlich an Gratiens Kleidern und steckte es in die juwelenbesetzte Scheide zurück, dann spie er Gordien seine Befehle entgegen. »Mach ein Ende mit diesem lächerlichen Pack! Was von den Kerlen noch lebt, wird zusammengetrieben und in die Verliese im Keller gesteckt, die du kennst. Und achtet mir darauf, dass ihr keine Frauen tötet! Frauen sind bares Geld, wenngleich ich bezweifle, dass ...«
    »Habt Ihr den Verstand verloren? Warum habt Ihr ihn getötet? Was für eine bodenlose Dummheit! Ich brauche ihn doch!«
    Der selbst ernannte Herzog von St. Cado fuhr unwillig zu Thilda de Locronan herum, die entsetzt den leblosen Körper ihres Gemahls anstarrte. Der Lärm hatte sie ebenfalls aus dem tiefsten Schlaf geweckt, und sie trug nur ein kostbares, seidenbesticktes Leinenhemd, über das sie in aller Eile einen pelzgefütterten Hausmantel geworfen hatte. Die dünnen aschblonden Haare hingen wirr und ungekämmt um das blasse Gesicht, und

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