Yvonne Lindsay
Sie haben uns genug genommen. Es wird Zeit, dass damit Schluss ist.“
Nur zu deutlich sah Rachel, wie Katherine litt, da sie den Blick abwandte und den Kopf sinken ließ. Ihre Stimme war kaum zu hören, als sie sagte: „Aber wann wird damit Schluss sein, Matt? Wann hat all das ein Ende?“
„Wenn alles, was uns dieses Schwein gestohlen hat, wieder in unserem Besitz ist. Vorher nicht.“
„Und Blake? Was ist mit ihm?“
„Wieso? Was hat er damit zu tun?“
Katherine hob wieder den Kopf und sah den Sohn bekümmert an. „Ich meine, was die Zeitungen so schreiben. Über Howard und Marise. Und Blake.“
„Blake ist mein Sohn. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“
„Bist du da ganz sicher? Und wenn nicht, kannst du mit dieser Ungewissheit leben?“
Mit wehem Herzen betrachtete Rachel die Szene zwischen Mutter und Sohn. Wie tragisch das alles war! Wenn Matt doch nur über das sprechen könnte, was ihn bedrückte. Denn ganz eindeutig litt auch er. Aber wahrscheinlich war er so verschlossen, weil er Angst hatte, zusammenzubrechen, wenn er auch nur die geringste Schwäche zugab.
Jetzt sah er den kleinen Jungen lange an, der fröhlich mit seinen Stiften hantierte. Als Blake sich das Haar aus der Stirn schob, zuckte Matt kurz zusammen. Da war er wieder, dieser sehr spezifische Haaransatz, den Howard Blackstone seinen Kindern vererbt hatte.
Matt presste kurz die Lippen zusammen. „Er gehört mir!“
Als sie nach Devonport zurückgekehrt waren, erklärte Matt Rachel, dass er sie während des Wochenendes nicht brauche. Da der folgende Montag ein Feiertag war, habe er die Absicht, nicht ins Büro zu gehen. Also könne er sich die drei Tage um Blake kümmern. Er meinte sogar, sie könne die freien Tage sicher gut gebrauchen, denn in der letzten Zeit habe sie mehr gearbeitet, als die Abmachung vorsah.
Wahrscheinlich will er mich nur los sein, dachte sie traurig, während sie ihre Sachen fürs Wochenende zusammenpackte und dann zu ihrem Apartment fuhr. Andererseits war das vielleicht ganz gut. So konnte sie auf andere Gedanken kommen, obgleich die Vorstellung, Matt drei Tage nicht zu sehen, ihr schon am ersten Abend zu schaffen machte.
Am Sonnabendmorgen rief sie ihre Mutter an. Der Tante ging es schon ein wenig besser, aber sie konnte sich noch nicht allein versorgen. Ihre Mutter musste noch mindestens bis Ende des Monats bleiben.
Pech. Also würde dieser quälende Zustand noch andauern.
So gut es ging, versuchte Rachel sich abzulenken. Nach langen Spaziergängen am Strand nahm sie sich ein Buch vor, das sie schon immer hatte lesen wollen, konnte sich aber nur schwer darauf konzentrieren. Auch das Fernsehen hielt sie nicht davon ab, immer wieder an Blake und Matt zu denken. Was die beiden wohl gerade machten?
Am Montagabend schließlich ging sie sich selbst tüchtig auf die Nerven. Konnte sie sich noch nicht einmal drei Tage lang beschäftigen? Missmutig stellte sie das Fernsehen an, um die Nachrichten zu sehen. Was war das? Entsetzt starrte sie auf den Fernsehschirm. War das nicht Blake? Wie kam der Sender dazu, ein Bild des Jungen zu zeigen? Woher hatte er das Foto? Eins wusste Rachel genau: Während des ganzen Medienrummels nach Howards und Marises Tod hatten Matt und Rachel sehr darauf geachtet, dass der kleine Junge unbehelligt blieb. Das war nicht immer einfach gewesen, denn die Reporter lauerten nicht nur vor dem Tor des Hauses, sondern wussten auch sehr bald, in welchen Kindergarten Blake ging. Aber Rachel hatte es geschafft, ihn vor den Kameras zu schützen. Das hatte sie wenigstens bisher geglaubt. Und nun dies!
Wahrscheinlich war Matt außer sich vor Wut und würde ihr Vorwürfe machen. Mit bebenden Fingern stellte sie den Ton lauter.
„Und nach den Nachrichten zeigen wir Ihnen die unglaubliche Geschichte von James Blackstone, besser bekannt als Jake Vance. Die Geschichte eines kleinen Jungen, der dreißig Jahre lang für tot gehalten wurde.“
Das war James Blackstone? Der verschollene älteste Sohn von Howard Blackstone, der so plötzlich wieder aufgetaucht war? Aber warum sah er dann Blake so ähnlich? Das musste jedem auffallen.
Aber natürlich … Doch das durfte nicht sein, nein, bitte nicht … Mit zitternder Hand nahm sie eine leere DVD schob sie in den DVD-Rekorder. Das konnte nur bedeuten … und das wäre ein harter Schlag für Matt.
Zwanzig Minuten später schwirrte ihr der Kopf. Da ihre Mutter schon lange für die Hammonds arbeitete, hatte auch Rachel so manches über den
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