Yvonne Lindsay
davon erfährt? Aber warum denn nicht? Ich verstehe dich nicht.“ Matt stand auf und sah schließlich ratlos die Mutter an. Mit einem liebevollen Lächeln legte Katherine ihm die Hand auf die Schulter.
„Mein Junge, natürlich freut er sich, dass du den Stein wiedergefunden und ihm gebracht hast. Aber damit werden auch alte Erinnerungen wach. Obgleich er es war, der den Kontakt zu seinen Schwestern Sonya und Ursula abgebrochen hatte, hat er sie doch immer sehr vermisst und sich nach ihnen gesehnt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schrecklich es für ihn war, als Ursula sich das Leben nahm. Natürlich gibt er Howard die Schuld, dass sich die Familien vollkommen entfremdet haben, aber er weiß, dass auch er seinen Anteil dazu beigetragen hat. Er wünscht, er hätte mehr dafür getan, diesen Riss wieder zu kitten. Wir alle hätten mehr dafür tun können. Für uns alle ist wichtig, dass die Steine wieder da sind. Aber die Presse würde daraus eine Riesengeschichte machen, und dein Vater und ich, wir könnten das nur schlecht durchstehen.“
„Ist das dein voller Ernst, Mum?“ Matt konnte nicht glauben, was er da hörte. Die Eltern verzichteten darauf, dass der Vater öffentlich rehabilitiert wurde?
„Ja, das ist mein voller Ernst.“
„Willst du mir nicht mal erzählen, was an dem Abend, an dem das Collier gestohlen wurde, wirklich geschah?“ Matt legte der Mutter den Arm um die schmalen Schultern und zog sie kurz an sich. „Ich kenne nur die Version der Presse. Du und auch Dad, ihr habt nie darüber gesprochen.“
Katherine warf einen kurzen Blick auf ihren Mann, und als der nickte, seufzte sie leise und setzte sich. „Als Ursula dreißig wurde, habe ich deinen Vater überredet, mit mir zu ihrer Geburtstagsparty zu gehen. Oliver hatte überhaupt keine Lust, denn er konnte seinen Schwager Howard nicht ausstehen, und es herrschte immer eine ungute Spannung zwischen den beiden Konkurrenten. Aber ich wusste, dass es für Ursula wichtig war, und so gab er schließlich nach. Denn seitdem der kleine James entführt worden war, war Ursula alles andere als stabil und brauchte die Unterstützung der Familie. Sie litt an schweren Depressionen.“
Auffordernd klopfte sie auf den Platz neben sich. „Setz dich doch, mein Junge. Wie auch immer, Ursula freute sich sehr, dass wir gekommen waren. An dem Abend sah sie besonders hübsch aus. Natürlich trug sie die Blackstone Rose. Aber es sah nicht so aus, als fühle sie sich mit dem Collier wohl. Immer wieder fingerte sie an dem pompösen Ding herum. Wahrscheinlich war es für ihren zarten Hals auch zu schwer.
An dem Abend hat sie ziemlich viel getrunken, was mich sehr erstaunte. Denn ich hatte sie bisher nur als sehr aufmerksame Gastgeberin erlebt, die selbst kaum etwas trank. Aber an diesem Abend überließ sie alles Sonya. Als die Band anfing zu spielen, war Ursula draußen in der Nähe des Pools. Oliver sah, dass sie unsicher auf den Beinen war, und wollte ihr helfen. Aber er kam zu spät, sie fiel ins Wasser. Zuerst waren alle vom Schock wie gelähmt, auch Ho-ward. Oliver fing sich als Erster und half Ursula wieder heraus. Er war natürlich sehr wütend auf Howard und beschimpfte ihn, er würde seine Frau vernachlässigen. Aber das rührte Howard nicht, wie du dir vorstellen kannst.“
Kurz schloss Katherine die Augen, so als lasteten die Erinnerungen schwer auf ihr. „Sonya und ich haben Ursula dann in ihr Zimmer gebracht, gegen ihren Willen, muss ich sagen. Sie wehrte sich heftig, und dabei muss sie das Collier verloren haben. Denn im Pool und auch auf den Rasenflächen hat man später nichts gefunden. In ihrem Zimmer dann ließ sie sich auf ihr Bett sinken und fing an, herzzerreißend zu weinen. Sie weinte und weinte, als wolle sie damit ihre Seele von all dem Elend der letzten Jahre befreien. Wir schafften es schließlich, sie auszuziehen und ins Bett zu bringen. Wenig später kam Howard nach oben und fragte sofort nach dem Collier. Wir konnten uns beide nicht mehr erinnern, wann wir es zuletzt gesehen hatten, und Howard ging wütend wieder nach unten. Sonya blieb dann bei Ursula, und als ich nach unten kam, hörte ich schon das Geschrei.“
„Geschrei? Wer hat geschrien?“
„Es war entsetzlich. Howard und Oliver standen sich gegenüber, und wir alle hatten den Eindruck, sie würden gleich übereinander herfallen. Aber Howard packte Oliver nur beim Hemd und beschuldigte ihn, das Collier gestohlen zu haben. Natürlich wehrte Oliver sich nach Kräften,
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