Zaduks Schädel
»Natürlich suche ich ihn. Der Dämon ist ungemein beweglich, sein Schädel trampt durch die Zeiten. Er ist heute hier und morgen dort. Für ihn gibt es kaum natürliche Grenzen. Wenn er will, kann er alles überwinden. Wir werden sehen.«
Matt blieb an meiner Seite. Er schaute sich vorsichtig um, ging geduckt und kam mir vor wie ein Fremder, der zum erstenmal die Insel betreten hatte.
Vom Strand her hörten wir das Anlaufen der Wellen, sahen auch die breiten, schaumigen Streifen oder die hochfliegenden Gischtspritzer, wenn das Wasser an der Kaimauer gebrochen wurde.
Die Fischerboote schaukelten im ewigen Rhythmus, ihre Masten wirkten wie träge, lange Bleistifte. »Wann fahren die Fischer hinaus?« fragte ich.
»In den folgenden beiden Tagen werden wir nichts machen, nur trauern. Drei Tage dauert die Zeit, so schreiben es unsere Gesetze vor, die wir uns selbst gegeben haben.«
»Lebt ihr auch weiterhin nach diesen Regeln?« Ich hatte etwas über das Leben der Bewohner erfahren, die sich wieder auf die einfachen Dinge besonnen hatten und fast jede Neuerung der Technik ablehnten.
»Wir können uns nicht selbst untreu werden.«
Die Antwort paßte zu ihm. Ob Freude oder Schmerz, sie nahmen es als gottgegeben hin.
Dann hatten wir die Stelle erreicht, wo die Pyramide geschmolzen war. In der Dunkelheit konnten wir kaum etwas erkennen. Das änderte sich, als ich meine Bleistiftleuchte hervorholte und mit dem scharfen Strahl einen Kreis schlug.
Wir drei bekamen den Eindruck, auf einem völlig fremden Grund zu stehen. Der Boden wirkte verbrannt, als wäre ein Feuer dabei gewesen, sich in ihn hineinzufressen. Ich bückte mich, der Eiserne zog sein Schwert und kratzte mit der Spitze über die verbrannten, lavaähnlichen Steine.
»Ja, hier war es. Und es wird nicht mehr zurückkehren. Das Tor ist geschlossen.«
Hoffnungsfroh schaute Matt ihn an. »Kann ich dir das glauben, Eiserner?«
»Ich würde ja sagen.«
Der Mann lächelte zuckend. »Das wäre riesig!« flüsterte er, »endlich wieder in Ruhe und Frieden leben können. Ich weiß nicht, womit wir die Strafe verdient haben, aber ich will auch nicht danach fragen.«
»Geh wieder zu den anderen«, sagte der Eiserne und legte Matt eine Hand auf die Schulter. »Sage ihnen, was du gesehen hast und daß alles in Ordnung ist.«
»Ja, natürlich.« Er verengte seine Augen. »Aber was wollt ihr unternehmen? Was habt ihr jetzt vor?«
»Wir verlassen die Insel«, erwiderte ich.
»Mehr nicht?«
»Doch.« Der Engel nickte. »Wir werden den verdammten Schädel jagen, verstehst du? Zaduk darf keine Menschen mehr in seine Gewalt bringen, um sie zu töten.«
»Seid ihr wirklich stärker als er?«
»Das kommt auf einen Versuch an.«
Matt nickte und ging. »Viel Glück«, sagte er noch und winkte uns zum Abschied zu. »Ja, ich wünsche euch viel Glück. Das werdet ihr gebrauchen können.«
»Danke.«
Der Eiserne lächelte. »Er macht sich große Sorgen, der gute Matt.«
»Grundlos?«
»Bestimmt nicht, obwohl ich wirklich nicht glaube, daß sich Zaduk hier noch einmal sehen läßt. Die Insel hat er gebraucht, um das Treiben zwischen den Zeiten zu überbrücken. Hier hatte er eine Anlaufstelle, aber jetzt hat er zugeschlagen. Leider weiß ich nicht, was er nach dem Untergang unseres Kontinents alles getan und wo er sich herumgetrieben hat. Irgendwo zwischen den Dimensionen hat er gesucht und geforscht, bis er den Weg in diese Zeit fand.«
»Er kann doch nicht einfach losziehen und morden. Auch für ihn muß es Motive und Gründe geben.«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht.«
»Bist du zu einem Entschluß gekommen?«
Der Eiserne schwieg und ging neben mir weiter. Wir wollten wieder vom Hügel aus die Insel verlassen. Er sprach erst wieder, als wir den Platz erreicht hatten.
»Wenn ich mich recht erinnere, hat Zaduk stets Freunde und Begleiter gehabt. Er war auch in Atlantis niemals allein. Ich kann mir vorstellen, daß sich daran nichts geändert hat.«
»Die Vogelmenschen existieren nicht mehr. Also ist Zaduk gezwungen, sich nach anderen Helfern umzuschauen?«
»Stimmt.« Der Eiserne lächelte traurig. »Nichts gegen euch Menschen, John, aber denke daran, wie schwach ein Mensch ist, wie leicht er sich verführen läßt. Ich könnte mir gut vorstellen, daß Zaduk unter den Menschen neue Verbündete findet, um sein Reich aufzubauen. Bitte, das ist nicht bewiesen, ausschließen können wir es wohl beide nicht.«
»Stimmt«, murmelte ich. »Leider habe ich
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