Zaduks Schädel
zu schaffen.
»Hol sie her, los, es ist genügend Platz.«
Die Zunge, aufgerollt wie ein Gartenschlauch, bewegte sich zitternd, als sie wieder auseinanderglitt. Ihre Spitze schwang schon von einer Seite zur anderen.
Es sah aus, als wollte sie genau maßnehmen, dann aber schnellte sie aus dem Maul.
Sie nahm den direkten Weg auf die Plattform, wo die Menschen standen und die immense Peitsche auf sich zuflogen sahen. Erste Schreie gellten auf. Einige von ihnen duckten sich, andere drückten sich zurück. Die Panik war nicht mehr aufzuhalten, und beim ersten Schlag fegte die breite Zunge wie eine gewaltige Schleuder über ihre Köpfe hinweg, ohne ein Opfer zu erwischen.
Sie schnellte wieder zurück. Nicht bis in das Maul hinein. Dicht davor drehte sie sich noch einmal und schlug einen Halbkreis, um neuen Schwung zu holen.
Auch der Schädel bewegte sich dabei und glitt etwas in die Höhe, damit die Zunge den richtigen Schlagwinkel bekam.
»Jetzt!« keuchte Cabrini.
Es geschah auch etwas. Allerdings etwas anderes, als er gedacht hatte. Wie aus dem Nichts tauchte eine gewaltige Gestalt auf und stellte sich zwischen die Plattform und Zaduks Schädel. Es war kein Mensch, es war ein Engel, der sein mächtiges Schwert gezogen hatte, um Zaduks Reste zu zertrümmern…
***
Der Eiserne war im letzten Moment erschienen. Er vernahm nicht nur die Schreie der unschuldigen Menschen, er hörte auch die Flüche der im Maul stehenden Personen.
Cabrini, schon in Rom geleimt, befürchtete plötzlich, noch einmal reinzufallen.
Yves Balzac, der Franzose, kam damit überhaupt nicht zurecht. Er mußte die Figur immer wieder anstarren, die ihre Flügel ausgebreitet hatte, von der Seite her heranschwebte und die Zunge mit einem kräftigen Schwerthieb zerhacken wollte. Sie war schnell, zu schnell… Der Hieb zischte ins Leere, als hätte er irgendwelche Luftteilchen zerschlagen wollen. Nur gab der Eiserne nicht auf. Er drehte sich dabei und flog den Schädel direkt an.
Wieder löste sich die Zunge aus dem Maul. Sie peitschte dem Eisernen entgegen, fiel dicht vor ihm nach unten, drehte sich wieder hoch und wollte ihn dort packen.
Der Eiserne glitt nach rechts weg. Beide Beine hatte er dabei anziehen wollen. Mit dem rechten gelang es ihm, das linke aber hinkte etwas nach und wurde zur Beute der Zunge.
Gedankenschnell wickelte sie sich um den Knöchel. In diesem Fall glich sie einem perfekt geworfenen Lasso, das seine Beute nicht mehr loslassen würde.
Der Eiserne kippte in eine Rücklage weg — und spürte den Ruck, als er hängenblieb.
Hatte Zaduk gewonnen?
Noch behielt die Zunge nur den Knöchel umklammert, seine Arme konnte er noch bewegen und ebenfalls die Flügel. So war er nicht wehrlos.
Er schwang sich hoch. Geschickt hatte er das angestellt, wie ein Turner am Reck. Dabei kämpfte er gegen die Kraft der Zunge an, die ihn in die Tiefe drücken wollte.
Der Eiserne gab nicht auf. Waagerecht lag er in der Luft, streckte seine Arme nach hinten und zeigte den Menschen auf der Plattform ein Schauspiel, das ihnen nicht alle Tage geboten wurde. Mit beiden Händen hielt er den Schwertgriff umklammert, schlug einmal einen Kreisbogen um seinen Kopf, um für sich und die Waffe genügend Schwung zu holen — und richtete sich noch in der Luft liegend auf, wobei er mit dem Schwert gegen die Zunge zielte, um sie zu zerhacken. Der Eiserne glaubte, daß die Zeit verlangsamt würde. Er konnte den Weg der Klinge genau verfolgen und rechnete damit, daß sie die verfluchte Zunge teilen würde, aber die Schwertspitze streifte diesen widerlichen, roten Lappen nur.
Ein Zucken durchlief die Masse, die gleichzeitig die Kraft verlor. Auch der Eiserne fiel zurück, durch einen Schlag seiner Flügel aber gelang es ihm, sich noch einmal aufzurichten und zu einem zweiten Schlag auszuholen, der diesmal besser gezielt war.
Keiner der Zuschauer verließ die Plattform. Was sie hier geboten bekamen, das hatten sie nicht einmal im Kino gesehen. Das war eine Mischung aus Action und Fantasy.
Hier kämpften zwei Gegner einen mörderischen Fight aus, ein Duell, das auf des Messers Schneide stand, wobei beide gleich stark waren und es eigentlich keinen Siegergeben konnte.
Wieder hieb der Eiserne zu.
Die Klinge befand sich schon auf dem Weg, als Zaduk reagierte. Er wußte, wie empfindlich seine Zunge war, und er löste sie gedankenschnell vom Fuß des Eisernen, an dessen Knöchel ein dunkler Ring zurückblieb, als hätte sich eine Säure in das Material
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