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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Fenster prasselnden Regen, dem im Bad
    laufenden Wasser und Cynthias Stimme hörte Mattie nicht, wie der
    Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde. Sie sah nicht, wie sich der Türknauf drehte, und merkte erst, dass Jake zurück war, als er die Tür hinter sich schloss. »Die verdammte Galerie war wegen Renovierung
    geschlossen«, sagte er beinahe in Zeitlupe, bevor er sich aus seiner Jacke schälte und sich lächelnd dem Bett zuwandte, wobei das Lächeln
    schlagartig erstarb. Danach ging plötzlich alles sehr schnell, als ob die ganze Szene vorher aufgenommen worden war und nun im
    Schnellvorlauf abgespult wurde. Selbst als Mattie sich später an den genauen Ablauf der Ereignisse zu erinnern versuchte, hatte sie Mühe, sie isoliert zu betrachten und eine Entwicklung von der nächsten zu
    trennen , einen Satz vom anderen. »Mein Gott , was ist denn mit dir passiert?«
    »Mir geht es gut , Jake« , versicherte Mattie ihm. »Ich bin bloß ein bisschen hingefallen.«
    Sofort war er neben ihr auf den Knien. »Verdammt, ich wusste , dass ich dich nicht hätte allein lassen sollen.«
    »Es ist okay , Jake. Ich war nicht allein.«
    »Was soll das heißen?« Er blickte zum Badezimmer. »Läuft das
    Wasser?«
    »Cynthia ist hier« , sagte Mattie. »Sie macht mir eine kalte Kompresse.«
    »Cynthia?«
    »Die Frau aus Chicago, die ich im Hof getroffen habe, als wir
    angekommen sind. Erinnerst du dich. Ich habe dir von ihr erzählt.
    Cynthia Broome.«
    Alle Farbe wich aus Jakes Gesicht wie Wasser , das aus einem Hahn sprudelt. Erst wurden seine Wangen aschfahl, dann schienen auch seine Augen zu erbleichen. »Cynthia Broome?«
    »Habe ich meinen Namen gehört?« Cynthia trat aus dem Bad und
    ging zu dem Bett, während Jake unbeholfen aufstand. »Sie müssen Jake sein«, sagte sie, nahm das feuchte Handtuch in die linke Hand und
    streckte die Rechte aus.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte er, ohne sich zu rühren. »Was will die denn hier?«
    »Jake!«, sagte Mattie. »Ist das nicht ein wenig unhöflich?«
    »Tut mir Leid«, stotterte er und versuchte zu lachen. »Ich nehme an, ihr habt mich auf dem falschen Fuß erwischt.« Er räusperte sich und warf die Hände in die Luft. »Ich gehe eine Stunde weg, und bei meiner Rückkehr finde ich meine Frau mit einem Bluterguss im Gesicht und
    eine Fremde im Bad.«
    Hatte sie sich das nur eingebildet, fragte Mattie sich, oder war Cynthia bei dem Wort »Fremde« zusammengezuckt , beinahe so , als habe man sie geschlagen? Und was war mit Jake los? Er wahrte doch sonst in praktisch jeder Situation die Haltung. »Es war ein frustrierender Vormittag für dich«, sagte Mattie, als Cynthia um das Bett ging, sich neben sie setzte und die Kompresse vorsichtig auf Matties Wange drückte.
    Jake stand wie angewurzelt da. »Will mir vielleicht irgendwer erzählen, was eigentlich los ist?«
    »Ich hatte eine Attacke« , erklärte Mattie. »Ich konnte nicht atmen.
    Zum Glück war Cynthia hier. Sie hat mir geholfen.«
    »Was hat sie überhaupt hier gemacht?« , fragte Jake , als ob Cynthia gar nicht im Zimmer wäre.
    »Man hat mir gesagt , dass Ihre Frau mich gesucht hat.« Cynthias Stimme war mit einem Mal so kühl wie die Kompresse. »Ich habe aus
    reiner Höflichkeit vorbeigeschaut.«
    »Aus reiner Höflichkeit?«
    Der Ärger in Jakes Stimme war unüberhörbar. Was war mit ihm los?,
    fragte Mattie sich. Es war untypisch für ihn, dass er sich so abweisend verhielt, obwohl er mit Menschen, die er nicht mochte , schon immer ungeduldig gewesen war. Sie dachte an den Zwischenfall in der Trattoria , seinen Zorn , als sein Partner wegen ihres Verhaltens voreilig falsche Schlüsse gezogen hatte. Aber was hatte er gegen Cynthia Broome?
    Warum war er so wütend auf sie? Er machte doch bestimmt nicht sie für ihre Attacke verantwortlich. »Jake, was ist los? Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    Jake fuhr sich mit zitternder Hand durch sein dunkles Haar und
    atmete tief ein. »Es tut mir Leid«, sagte er noch einmal. »Ich nehme an, der Vormittag hat mir einfach irgendwie zugesetzt. Ich trotte den ganzen Weg durch den Scheißregen bis zu der verdammten Galerie, und dann ist sie geschlossen, und ich habe eine halbe Stunde lang kein Taxi gekriegt, und als ich schließlich zurückkomme, finde ich –«
    »- Ihre Frau mit einem Bluterguss im Gesicht und eine Fremde im
    Bad«, beendete Cynthia den Satz für ihn.
    »Vielen Dank, dass Sie meiner Frau geholfen haben«, sagte Jake.
    Cynthia nickte. »War mir ein Vergnügen.

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