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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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sie in ihre Lunge pressen konnte? Sie würde an Ort und Stelle sterben, wenn sie nicht sofort aus diesem Zimmer herauskam. Sie musste nach draußen , nach draußen , wo es frische Luft gab. Und Regentropfen so groß wie Pampelmusen, um ihre Ängste zu ertränken.
    Ertrinken war besser als ersticken, beschloss Mattie , setzte sich in Richtung Tür in Bewegung, stolperte über ihre Füße, verlor das
    Gleichgewicht, taumelte, konnte sich nicht mehr abstützen und schlug mit der Wange auf den dunklen Holzboden. Beim Aufprall platzte ihre
    Lippe, und sie spürte , wie das Blut in ihren offenen Mund sickerte, während sie dalag, auf die Staubfäden unter dem Bett starrte und nach Luft rang. Wie ein Fisch, der hilflos auf den Planken eines Fischerbootes zappelte, dachte Mattie und spürte Cynthia Broomes Hände auf ihren
    Schultern, als die andere Frau sie in die Arme nahm, sie an ihre weiße Seidenbluse drückte und sanft hin und her wiegte wie ein Baby, bis
    Matties Atem wieder normal
    ging-
    »Alles okay«, sagte Cynthia immer wieder. »Alles okay. Sie
    sind okay.«
    »Versauen Sie sich Ihre schöne Bluse nicht mit Blut«, warnte Mattie die andere Frau eine Minute später und wischte sich die Tränen aus den Augen und das Blut von der Lippe.
    »Das ist doch egal.«
    »Sie sind sehr nett.«
    »Nicht wirklich«, erwiderte Cynthia kryptisch. »Geht es Ihnen gut?«
    »Nein«, sagte Mattie und fügte leise hinzu: »Ich sterbe.«
    Cynthia Broome sagte nichts , doch Mattie spürte, wie sich ihr ganzer Körper versteifte und der Atem unter ihren großen Brüsten einen
    Moment lang stockte.
    »Eine Krankheit namens Amyotrophe Lateralsklerose. Die Lou-
    Gehrig-Krankheit«, erklärte Mattie mittlerweile beinahe automatisch.
    »Das tut mir sehr Leid«, sagte Cynthia.
    »In meiner Handtasche ist Morphium.« Mattie wies auf die braune
    Leinentasche auf dem Boden neben der Kommode. »Wenn Sie mir eine
    Tablette und ein Glas Wasser geben könnten.«
    Cynthia war sofort auf den Beinen, stieg vorsichtig über die
    verstreuten Pralinen , kramte durch Matties Tasche und fand das Fläschchen mit den Tabletten. »Nur eine?«
    Mattie lächelte traurig. »Für den Augenblick ja« , sagte sie. Kurz darauf spürte Mattie die Tablette auf ihrer Zungenspitze und das Glas an ihren Lippen, spürte , wie das Wasser die Tablette problemlos durch ihren Hals spülte. »Danke.« Cynthia setzte sich wieder neben Mattie auf den Boden , beide Frauen mit dem Rücken an das Fußende des Bettes gelehnt. »Sie
    müssen nicht bleiben«, erklärte Mattie ihr. »Mein Mann sollte bald
    zurück sein.«
    »Erzählen Sie mir von ihm.« Die andere Frau machte es sich bequem
    und hatte offensichtlich nicht die Absicht , irgendwohin zu gehen.
    Mattie stellte sich Jakes dunkelblaue Augen und sein attraktives
    Gesicht vor , seine kräftigen Hände und seinen sanften Mund. »Er ist ein wundervoller Mann« , sagte Mattie. »Freundlich. Gut. Liebevoll.«
    »Wahrscheinlich sieht er auch noch gut aus.«
    »Er sieht phantastisch aus.«
    Die beiden Frauen lachten leise. »Dann haben Sie also einen Guten
    erwischt«, sagte Cynthia.
    »Ja, das habe ich«, stimmte Mattie ihr zu.
    »Ich hatte auch mal einen Guten.«
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Umstände«, sagte Cynthia vage.
    »Umstände ändern sich.« Cynthia nickte und blickte zu Boden. »Ja,
    das tun sie.«
    »Reden wir von Ihrem Ex-Mann?«, fragte sie.
    »Gott bewahre, nein.« Cynthia lachte. »Obwohl, wer weiß? Er ist nicht lange genug geblieben, als dass ich es hätte herausfinden können.«
    »Klingt nicht, als hätten Sie viel verpasst.«
    »Ich weiß nicht. Ich hatte immer das Gefühl, ich hätte mich mehr
    anstrengen müssen, verstehen Sie.« Cynthia klopfte sich an den Kopf.
    »Was Männer angeht, habe ich mich nie besonders klug angestellt.« Sie sah Mattie an. »Gibt es irgendeinen Grund, warum wir auf dem Boden
    sitzen?«
    »Von da aus fällt man nicht so tief«, sagte Mattie schlicht, als Cynthia ihr wieder aufs Bett half, ihr mit ein paar Kissen den Kopf abstützte und ihre Beine ausstreckte.
    »Wir passen schon auf, dass Sie nicht fallen«, sagte Cynthia und
    musterte Matties Gesicht. »Wissen Sie, ich glaube, wir sollten Ihre Wange ein bisschen kühlen. Sie schwillt langsam an.« Sie ging ins Bad. »Oh«, rief sie, das fließende Wasser übertönend. »Sie haben Renoir als
    Bodenmosaik. Ich habe Toulouse-Lautrec. Jane Avril tanzt Can-Can im
    Moulin Rouge. Ziemlich schick, was?«
    Bei dem weiter gegen das

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