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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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abgelutschten Winnie Puh im anderen.
    Vielleicht hatte sie geträumt; vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls war sie plötzlich hellwach und hatte große Angst , ohne zu wissen , wovor oder warum. Dann hörte sie aus dem anderen Zimmer gedämpfte Geräusche , die flüsternden Stimmen ihrer Mutter und ihres Vaters , aber sie flüsterten nicht so, wie die Leute normalerweise flüsterten. Sie flüsterten richtig laut, und ihre Stimmen waren so kalt und bissig wie ein
    Winterwind. Sie machten ihr solche Angst, dass sie Big Bird und Winnie Puh unter der Bettdecke versteckte , ehe sie aufstand, um nachzusehen , was los war.
    Kim rutschte noch etwas tiefer in ihrer Bank und betastete mit der
    rechten Hand geistesabwesend den ordentlichen kleinen Dutt auf ihrem Kopf , um sich zu vergewissern, dass keine widerspenstigen Härchen herabhingen, dass alles sicher gebändigt und ordentlich an seinem Platz war, wie sie es gern hatte, Schulmamsell, neckte ihre Mutter sie
    manchmal und lachte dabei.
    Kim mochte es, wenn ihre Mutter lachte. Sie fühlte sich dann sicher.
    Wenn ihre Mutter lachte, so hieß das, dass sie glücklich war, und wenn sie glücklich war, dann war alles gut und ihre Eltern würden
    zusammenbleiben. Es bestand keine Gefahr, dass sie in einer traurigen Statistik landen und zum hoffnungslosen Klischee werden würde, ein Kind aus einer zerrütteten Ehe, eine Scheidungswaise wie so viele ihrer Freundinnen und Schulkameradinnen.
    Wenn ihre Mutter lachte , war die Welt in Ordnung, versicherte sich Kim und versuchte, das gespenstische Gelächter zu vergessen, das sie am Morgen aus dem Mund ihrer Mutter gehört hatte. Es war so schrecklich schrill gewesen , überhaupt nicht glücklich , eher gequält als gelöst, der Hysterie weit näher als echter Fröhlichkeit und, wie das zornige Flüstern aus Kims früher Kindheit , zu laut. Viel zu laut.
    War es das vielleicht? Hatte es wieder Krach gegeben zwischen ihren
    Eltern? Ihr Vater war gestern Abend nach dem Essen noch einmal
    weggefahren, vorgeblich in die Kanzlei , um sich auf den heutigen Prozess vorzubereiten. Aber eben das war doch einer der Gründe
    gewesen, in ein Haus am Stadtrand zu ziehen – ihm die Möglichkeit zu schaffen, sich zu Hause ein Büro einzurichten, komplett mit Computer , Drucker und Fax. Hatte wirklich seine Arbeit ihn gezwungen , noch einmal in die Stadt zu fahren? Oder steckte ein anderer Grund dahinter?
    Eine andere Frau vielleicht, hübsch und halb so alt wie er, wie die Frau, die für Andy Reeses Vater Grund genug gewesen war, seine Familie im
    Stich zu lassen?
    Oder vielleicht die Frau, mit der Kim ihn an einem sonnigen
    Nachmittag etwa um die Zeit ihres Umzugs nach Evanston gesehen
    hatte? Rundlich und dunkelhaarig sah sie ihrer Mutter überhaupt nicht ähnlich , und er hatte sie an einer Straßenecke voll auf den Mund geküsst.
    War das vielleicht der Grund dafür, dass sie ihre Mutter heute
    Morgen, als sie zum Frühstück hinunter gekommen war, allein und wie eine Irre lachend hinten im Pool vorgefunden hatte?
    Kim hatte ihrer Mutter nie erzählt, dass sie ihren Vater mit einer
    anderen Frau gesehen hatte. Vielmehr hatte sie versucht, sich
    einzureden, die Frau wäre nur eine Freundin, nein, weniger als das, eine Bekannte, vielleicht sogar nur eine Berufskollegin oder eine dankbare Mandantin. Allerdings – seit wann küsste man seine Mandantinnen, und mochten sie noch so dankbar sein, mitten auf den Mund? Mitten auf den Mund, dachte sie, so wie Teddy Cranston sie am Samstagabend geküsst
    hatte, als seine Zunge ganz sachte die ihre gesucht hatte.
    Kim hob ihre Finger an die Lippen und spürte wieder das Prickeln
    der zarten Berührung von Teddys Lippen. Er küsste ganz anders als die übrigen Jungs ihres Alters. Aber er war natürlich auch ein paar Jahre älter als die anderen Jungs, mit denen sie bisher gegangen war. Er war
    siebzehn , in der letzten Klasse , und wollte im kommenden Herbst mit dem Studium anfangen , entweder an der Columbia Universität oder der New York Universität, erklärte er ihr selbstsicher; es komme ganz darauf an, ob er sich für Medizin oder Film entscheide.
    Aber am Samstagabend war er mehr daran interessiert gewesen, mit
    seiner Hand irgendwie unter ihren Pullover zu kommen , als an irgendeiner Eliteuniversität angenommen zu werden. Und sie war drauf und dran gewesen , es ihm zu erlauben. Die anderen Mädchen taten es ja auch alle. Und sie taten noch viel mehr. Viele Mädchen in ihrem Alter waren sogar

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