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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Verletzung durch den Unfall erstaunlich gut mit der Situation fertig geworden. Ihre Sorgen galten einzig Kim.
    »Es sieht viel schlimmer aus , als es ist« , hatte sie hastig versichert, als Kim beim Anblick des verunstalteten Gesichts zu weinen angefangen
    hatte. Und später: »Wir fühlst du dich, Schatz? Möchtest du darüber sprechen?« Sie hatte sogar versucht, Jake in Schutz zu nehmen. »Geh nicht zu hart mit ihm ins Gericht, Schatz. Er ist dein Vater und er hat dich lieb.«
    Nichts als Scheiß, dachte Kim. Ihr Vater liebte sie nicht. Er hatte sie nie gewollt.
    Und jetzt wollte sie ihn auch nicht mehr.
    Danach sprach sie kaum noch von ihm. Die Blutergüsse im Gesicht
    ihrer Mutter wechselten die Farbe wie das Laub an den Bäumen und
    wurden von Tag zu Tag blasser. Die Schrammen verheilten. Die
    Gliederschmerzen ließen nach. Sie ging den Geschäften des Alltags nach, mietete einen Wagen, fuhr einkaufen , meldete sich bei verschiedenen Kunden , vereinbarte Termine für die kommende Woche. Bis auf das kleine Problem mit dem Fuß , der immer wieder mal einschlief, fehlte ihrer Mutter nichts.
    Und ihr – Kim – auch nicht.
    Sie brauchten ihn nicht.
    »Hallo, Kim, lebst du noch da hinten?«, fragte ihr Vater im zweiten Anlauf. Sie sah im Rückspiegel seine Augen voll Besorgnis und
    Hoffnung und brummte nur statt einer Antwort. Wenn ihre Mutter
    meinte, höflich sein und die Trennung mit Anstand hinnehmen zu
    müssen, so war das ihre Sache. Kim sah das anders. Jemand musste
    schließlich die verlassene Ehefrau spielen.
    »Sieht ganz so aus, als würden sie mir demnächst die Aufnahme in die Sozietät anbieten« , bemerkte Jake. »Darum habe ich so lange gebraucht, um hierher zu kommen. An jeder Ecke hat mich ein Mitarbeiter
    aufgehalten , um mir zu gratulieren.«
    »Das freut mich« , hörte Kim ihre Mutter sagen. »Du hast hart genug dafür gearbeitet. Du verdienst es.«
    Du verdienst , in der Hölle zu braten , dachte Kim bockig.
    »Wie kommst du nachher zurück zur Stadt?« , fragte Mattie , als Jake in den Walnut Drive einbog.
    »Ich werde in ungefähr einer halben Stunde abgeholt.«
    »Von deiner Freundin?« Kims Stimme war scharf und beißend.
    »Schau Mama nicht so an« , fuhr sie ihn an , bevor er etwas erwidern konnte. »Sie hat nichts gesagt.«
    »Wir müssen miteinander reden , Kimmy« , begann ihr Vater.
    »Nenn mich nicht Kimmy. Ich hasse das.« Er hatte sie Kimmy
    genannt, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Sie erinnerte sich, und ganz gegen ihren Willen schössen ihr Tränen in die Augen.
    »Bitte, Kim«, sagte er. »Ich finde, es ist wichtig.«: .
    »Wen interessiert schon, was du findest?«
    »Was soll das?«, rief ihre Mutter , und einen Moment lang glaubte Kim , sie spräche mit ihr , glaubte, ihre Mutter wäre zornig und hätte gegen sie seine Partei ergriffen. Aber dann sah sie den Streifenwagen vor ihrem Haus und die beiden uniformierten Beamten, die vor der Tür
    warteten.
    »Es geht wahrscheinlich um den Unfall«, meinte Jake.
    »Aber ich habe doch schon mit der Polizei gesprochen«, sagte Mattie, als Jake den Wagen in die Auffahrt lenkte und anhielt. »Was gibt’s denn?«, fragte er, nachdem er ausgestiegen war.
    Kim half ihrer Mutter aus dem Wagen und musterte dann neugierig
    den jungen Mann und die Frau in den adretten blauen Uniformen. Der
    Mann, der sich als Officer Peter Slezak vorstellte, war ungefähr einen Meter achtzig groß, hatte Arme wie ein Gewichtheber und trug sein Haar so kurz, dass man kaum erkennen konnte, welche Farbe es hatte. Seme
    Partnerin, Officer Judy Taggart , war vielleicht einen Meter siebzig groß und sehr schlank. Sie hatte das braune Haar zu einem Pferdeschwanz
    gebunden , und auf ihrem Kinn saß ein dicker Pickel , den sie mit Make-up zu vertuschen versucht hatte. Kim hob automatisch die Hand zum
    Kinn , um bei sich selbst nach Pickeln zu suchen.
    »Ist das Ihr Haus?« , fragte Officer Slezak.
    »Ja« , antwortete Jake.
    Nein, hätte Kim beinahe geschrieen. Es ist nicht dein Haus.
    »Was ist denn nun eigentlich los?« Mattie trat vor, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
    »Ist Ihnen was passiert, Madam?« Officer Taggart starrte Mattie
    erschrocken ins Gesicht.
    »Geht es um den Unfall?«, fragte Jake.
    »Na, einen Unfall kann man es wirklich nicht nennen« , versetzte Officer Slezak.
    »Wie bitte?«, sagte Mattie pikiert.
    »Vielleicht verraten Sie uns jetzt erst einmal , warum Sie hier sind« , verlangte Jake , die Kontrolle wieder

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