Zaehme mich
nahm Sarahs Hände und drückte sie zwischen seinen zusammen. Er beugte sich vor und küsste sie auf die Lippen.
Sarah erwiderte seinen Kuss und presste sich an ihn. Genau, was Jamie hatte vermeiden wollen. Er wollte nicht Zeuge des ergreifenden Wiedersehens zwischen zwei Liebenden sein.
»Bitte, Mike«, sagte sie mit ihrer Schlafzimmerstimme.
»Lass uns zwei Stunden allein, okay? Wenn du wiederkommst, bin ich ganz für dich da.«
Mike nickte und berührte ihr Gesicht auf eine Weise, die man nur als zärtlich beschreiben konnte. »Versprichst du mir, dass du mir nicht wieder die kalte Schulter zeigst?«
»Versprochen.«
»Okay, Babe.« Mike küsste sie wieder, dann trat er zu Jamie und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich fahr zurück ins Pub. In zwei Stunden bin ich wieder da.« Er öffnete die Tür und schaute mit einem Grinsen noch einmal zurück. »Schön brav sein.«
Sarah und Jamie starrten sich reglos an, bis sie Mikes Motor hörten. Dann schlang Jamie die Arme um sie und fing an zu weinen.
»Hey, bitte nicht weinen! Komm schon, Jamie.« Sarah küsste seinen Hals und sein Gesicht. Er konnte nicht aufhören zu schluchzen. Sie war einfach so … Mein Gott, ihm fehlten die Worte. Sie war alles. »Hör doch auf mit dem Blödsinn.« Sie löste sich von ihm und wischte ihm mit dem Pyjamaärmel das Gesicht ab. »Komm, wir müssen reden.«
Er setzte sich mit ihr aufs Sofa. Das Sofa, das er für sie bei einem Garagenverkauf aufgetrieben und das er mit ihr hergeschleppt hatte. Das Sofa, auf dem er tausend Biere getrunken, eine Million Unterhaltungen geführt und viel zu wenig Sex gehabt hatte. Sarahs Sofa. Sarahs Wohnung. Sarahs Lächeln und Sarahs Hände, die seine drehten.
»Musste nicht genäht werden?«
Jamie schüttelte den Kopf und bemerkte zum ersten Mal die Spanplatte vor dem Fenster. Ob Sarah das selbst gemacht hatte? Oder hatte er ihr geholfen?
»Weißt du überhaupt, dass ich halb durchgedreht bin?«, fragte Jamie.
»Tut mir Leid. Wenn es dich beruhigt, ich bin auch halb durchgedreht.«
»Mich würde nur eins beruhigen: wenn du mir erzählen würdest, dass du mit dem alten Wieheißternoch gebrochen hast.«
Sarah biss sich auf die Lippe. Sie sah so müde aus, die Ärmste. O Gott, was hatte dieses Ungeheuer nur mit ihr gemacht?
»Ich hatte gehofft, dass du dich ein wenig an die Vorstellung gewöhnt hast«, antwortete sie.
»Daran gewöhne ich mich nie. Er ist schlecht für dich.«
Sarahs Augen funkelten. »Das stimmt nicht. Wenn ich nicht bei ihm bin, das ist schlecht. Dann fühle ich mich schlecht. Ich liebe ihn. Warum kannst du dich nicht für mich freuen?«
»Ich kann es einfach nicht.«
»Versuchs doch!« Sarah drückte seine Hände. »Sei nicht so egoistisch, Jamie. Du hast eine eigene Familie. Ich hatte nie jemanden. Und jetzt, wo ich jemanden habe, bist du wütend und böse.«
Er war tatsächlich wütend und böse. Aber weniger auf Sarah als auf alle anderen, die nicht Sarah waren. Shelley hatte sich besonders hervorgetan. Trotz ihrer schier übermenschlichen Toleranz stritten sie praktisch die ganze Zeit. Erst gestern hatte sie ihn gefragt, warum er so mürrisch war, sie war doch schließlich diejenige, die aufgesprungene Nippel und geschwollene Knöchel hatte und keinen Schlaf bekam. Jamie erinnerte sie daran, dass auch er jede Nacht öfter aufstand, um das Baby zu beruhigen, und dass er acht Stunden am Tag arbeiten musste. Und dann sagte er, dass ihre aufgesprungenen Nippel und ihre geschwollenen Knöchel für ihn auch nicht so schön waren. Danach weinte Shelley eine Stunde lang, und Jamie zermarterte sich das Hirn, um herauszufinden, was mit ihm los war. Aber wie sehr er sich auch anstrengte, ein guter Ehemann zu sein, er musste sich einfach der Tatsache stellen, dass er, wenn er Shelley anschaute, nicht sah, was er eigentlich sehen wollte: Sarah.
Ständig nagte der Gedanke an ihm, dass er Shelley nicht hätte heiraten müssen, wenn sie nicht schwanger geworden wäre, und dass er dann frei für Sarah gewesen wäre. Das war überhaupt nicht logisch, weil a) Sarah erst Interesse für ihn gezeigt hatte, nachdem er mit Shelley zusammengezogen war, und daher vielleicht ohne Shelleys Schwangerschaft gar nicht mit ihm geschlafen hätte; b) Sarah nicht heiraten wollte; c) selbst wenn Sarah doch heiraten wollte, es nie Jamie sein würde, denn sie liebte ihn nicht auf diese Weise. Früher war es immer ein Trost für ihn gewesen, dass Sarah niemanden auf diese Weise liebte, doch diesen
Weitere Kostenlose Bücher