Zaehme mich
Beschimpfungen in Richtung Tür.
Sarahs Eingeweide wurden zu Brei. Wie gelähmt sah sie mit an, wie Mike zur Tür ging und sie öffnete. Es war so schrecklich, so schrecklich, und sie konnte sich weder bewegen noch sprechen, sie konnte nur die nackten Arme um ihren nackten Körper legen und hilflos darauf warten, was er tun würde.
Daniel trat ins Zimmer. Seine Miene war ausdruckslos.
Hinter ihm schwirrte Mike mit feuerrotem Gesicht herum. »Sie können hier nicht einfach reinspazieren und
…«
»Zieh dich an.« Daniels Stimme war so ruhig und gelassen, dass sich Sarah fragte, ob sie die kommende Nacht überleben würde. Sie stand auf und streifte sich ihr Höschen über.
»Was bildet sich der Kerl überhaupt ein?«, rief Mike.
»Mike, du gehst jetzt lieber. Tut mir Leid.«
»Ich lass dich doch nicht mit diesem Scheißkerl allein.«
Daniels Blick ruhte eine halbe Sekunde auf Mike, bevor er wieder zu Sarah zurückkehrte. »Er will dich vor mir beschützen, wie putzig.«
»Du bist ein Arschloch, Kumpel.« Mike setzte sich aufs Sofa und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich geh nirgends hin.«
Achselzuckend wandte sich Daniel wieder an Sarah.
»Komm, packen wir schnell zusammen, damit wir endlich fahren können.«
»Daniel, ich …«
Er brachte sie nach Lehrerart mit einem Blick zum Schweigen. Dann schnappte er sich ihren Arm und deutete mit dem Kinn zur Tür. »Gehen wir.«
»Hör auf, sie rumzukommandieren!« Mike erhob sich.
»Sie ist kein Kind, verdammt. Sarah, willst du dir das von dem gefallen lassen?«
Daniel verdrehte die Augen. »Das mit Jamie verstehe ich ja, er war ein guter Freund für dich. Aber der da …«
Er wies auf Mike. »Wieso lässt du dich von diesem hübschen Jüngling besteigen?«
»Na ja, er ist auch ein Freund. Okay? Ich wollte mich verabschieden.«
Daniel blickte zu Mike hinüber und schnaubte.
»Hoffentlich hast du nicht zu viele Freunde, denen du Lebwohl sagen möchtest. Sonst bist du schon erschöpft, bevor du bei mir ankommst.«
»Hey!« Mike kratzte sich die Arme wie ein Junkie.
»Sarah? Wovon redet der Kerl da?«
»Oh.« Lächelnd zauste ihr Daniel das ohnehin schon zerzauste Haar. »Ich dachte, er weiß das mit Jamie. Ich hab gesehen, dass sie zusammen auftauchen, und mir gedacht, sie machen es eben nacheinander. So eine Art Vereinbarung, hab ich geglaubt.«
Sarah zog ein Gesicht, um Daniel zu verstehen zu geben, dass sie sein Benehmen nicht besonders toll fand.
Er setzte ein hinreißendes Lächeln auf. Sarah bekam auf einmal weiche Knie, und sie küsste ihn. Schon in den wenigen Stunden, seit er am Morgen wieder verschwunden war, hatte sie ihn vermisst. Das heißt, in den wenigen Stunden, seit er gar nicht verschwunden war, sondern vor dem Haus herumgelungert hatte, um sie zu beobachten. Sie hatte ihn vermisst, sie liebte ihn, und sie war froh, dass er sie nun endlich abholte. Sie küsste ihn und verfing sich mit den Fingern in seinem Haar.
»Sarah!« Mike stampfte mit dem Fuß auf. »Du vögelst Jamie? Ist es wahr, was dieser Wichser hier erzählt? Ist das wahr? Jamie?«
»Ja, ich meine, es war wahr.« Sarah hatte nur noch Augen für Daniel. Gleich würde er sie nach Hause bringen. Endlich, endlich war sie mit ihm zusammen.
Warum stand sie überhaupt noch hier, wenn sie schon längst in seinem Bett sein konnte? In ihrem gemeinsamen Bett.
»Du mieses kleines Dreckstück. Du bist einfach total herzlos.«
Mit einem Lachen strich ihr Daniel das Haar aus der Stirn. Dann küsste er sie fest auf die Lippen, und im Hintergrund brüllte Mike. Der Kuss ging immer weiter und weiter, bis sie keine Luft mehr bekam. Gerade als sie schon sicher war, gleich in Ohnmacht fallen zu müssen, löste sich Daniel von ihr. Mike war verschwunden.
TEIL VIER
1
Im Auto redete Daniel kein Wort. Auch Sarah blieb stumm. Sie überlegte, was er mit ihr machen würde, wenn sie nach Hause kamen. Nach Hause. Daniels Zuhause. Das Zuhause von Daniel und Sarah, nicht das von Daniel und Lisa oder von Daniel und seiner Familie. Sie waren unterwegs zu Daniels Wohnung, und Sarah durfte dort bleiben. Niemand würde ihr Daniel mehr wegnehmen. Er war böse auf sie, aber trotzdem wollte er, dass sie bei ihm wohnte, und dafür war Sarah mit Freuden bereit, alles zu ertragen.
Er forderte sie auf, sich zu duschen, und passte genau auf, dass sie jeden Zentimeter ihres Körpers sorgfältig abschrubbte. Er berührte sie praktisch überhaupt nicht, führte sie nur von der Dusche ins Schlafzimmer
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