Zähmung der Wildkatze
damit gerechnet, in dieser Woche noch ihren Spind räumen zu dürfen. Stattdessen stand der junge Kerl vor ihr und entschuldigte sich, wirkte dabei wie ein Schluck Wasser in der Kurve.
„Als ich dich zum ersten Mal hier gesehen habe, da konnte ich einfach nicht anders. Du bist intelligent, hübsch und sexy. Ich …“
Oh bitte, sag es nicht!
„Ich habe mich Hals über Kopf in dich verliebt Marie.“
Scheiße!
Jetzt fühlte sie sich genauso, wie er aussah. Sie war eine erwachsene Frau und er gerade mal nach dem Gesetz volljährig. Das war eine unfaire Konstellation und sie hatte all ihren Frust auf ihn abgeladen.
„Jamie, ich kann jetzt nicht reden, okay? In einer Stunde ist Ladenschluss und dann reden wir.“
Ein müdes Lächeln glitt über seine hübschen Gesichtszüge, als er nickte. Sie sah ihm mitleidsvoll nach, als er die Boutique verließ. Stuart würde sicher Verständnis haben, wenn sie das zuvor klärte. Sie fühlte sich schuldig, einen so jungen Kerl in den Boden gestampft zu haben und wollte nicht dafür verantwortlich sein, bleibende Schäden zu hinterlassen. Er mochte sich vielleicht aufführen wie ein Idiot, aber er war eben jung, reich und umgeben von Freunden, die ihn anstachelten, sich so zu geben. Sie hielten das für cool, und auch wenn er die Bruchlandung verdient hatte, so hart wollte sie ihn dann doch nicht treffen.
Paul war bereits vor Ladenschluss wegen eines Arzttermins gegangen und Marie schloss hinter dem letzten Kunden die Tür. Draußen stand Jamie noch immer ans Schaufenster gelehnt und wartete auf sie. Marie ließ sich Zeit, löschte die Lichter, sperrte die Schmuckstücke in den Safe und erledigte die Tagesabrechnung. Ihre Gedanken huschten stets zwischen Jamie und Stuart hin und her, was ihre Konzentration aus der Bahn warf. Drei Ansätze brauchte sie, um das Geld zu zählen. Ob Stuart bereits draußen auf sie wartete? Die Vorfreude auf den Abend mit ihm bei gutem Essen und Wein, wie er versprochen hatte, wurde von Jamies Anwesenheit gedämpft. Was sollte sie ihm nur sagen, ohne ihn noch mehr zu verletzen? Wie brachte man einen jungen Mann wieder auf den Boden der Tatsachen, ohne sein Herz in tausend Fetzen zu zerreißen? Sie hatte in ihrem Leben Beziehungen beendet, Körbe verteilt, aber mit so etwas kannte sie sich nicht aus.
Sie griff nach ihrem Mantel und der Tasche und verließ den Laden. Mit einem tiefen Atemzug ging sie auf Jamie zu und lächelte aufmunternd. Zuerst jedoch sah sie sich um, konnte aber Stuarts Wagen noch nirgends entdecken.
„Hör zu, Jamie. Ich weiß nicht, was ich sagen soll …“
Stuart saß in seinem Wagen und kraulte zurückgelehnt in den Sitz Pacos Fell, der auf dem Beifahrersitz saß. Sein Blick auf die Radiouhr ließ ihn nicken.
„Lass uns mal nachsehen, ob sie bereits fertig ist.“
Der Leonberger Rüde bellte ungeduldig, bis Stuart endlich die Tür öffnete, damit er rauskonnte. Der Hund umtänzelte Stuart, umrundete ihn erwartungsvoll und begleitete ihn um die Ecke. Stuart hielt inne, legte seine Stirn in Falten und hob dann seine Augenbrauen. Den Kerl kannte er doch? Natürlich, die Bitch & Pimp Party. Für einen Moment senkte er den Kopf und atmete tief durch. Was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Stuart gab einen leisen Zischlaut von sich und Paco setzte sich neben ihn. Marie berührte die Schulter dieses jungen Mistkerls und er nickte mit einem Lächeln im Gesicht. Die beiden wirkten so vertraut. Für den Bruchteil einer Sekunde traf der Blick des Jungen ihn und ein wissendes Grinsen glitt über die Gesichtszüge. Wieder nickte er, als würde er zuhören, was Marie ihm sagte. Sie wirkte sanft und zärtlich. Plötzlich packte der Kerl ihr Gesicht und küsste sie.
Stuart ballte seine Fäuste, wandte sich ab. War das wieder eines ihrer verdammten Spiele? Wollte sie ihn testen? Oder galt es diesem Jungen, der auf der Party mit ihr getanzt hatte? Er wollte dem Kerl ins Gesicht schlagen, wollte seine Nase unter seiner Faust brechen hören, doch er widerstanddem Impuls. Noch immer küsste er sie und sie wehrte sich nicht. Eifersucht kochte durch seine Adern. Stuart schüttelte den Kopf, mehr über sich selbst als über das Geschehen, dessen er gerade Zeuge wurde. Nein, er würde sich nicht von ihr zu einem Nebenbuhler degradieren lassen und garantiert würde er nicht zu einem Opfer ihrer kindischen Spielchen werden. Mit zusammengekniffen Lippen drehte er sich um. Paco folgte ihm.
Absichtlich langsam fuhr er an ihnen vorbei, und
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