Zähmung der Wildkatze
als er sicher war, dass Marie ihn erkannte, trat er aufs Gaspedal.
Die Ohrfeige brannte selbst in ihrer Handfläche. Fassungslos starrte sie Stuarts Wagen nach, der mit quietschenden Reifen davonfuhr. Mist! Mist! Mist! Marie schubste Jamie von sich und sah ihn wütend an.
„Was sollte das? Ich habe dir doch gerade gesagt, dass ich deine Gefühle nicht erwidere. Du bist zu jung und ich bin mit einem anderen Mann zusammen.“
Einem Mann, der gesehen hat, wie ein Kind mich auf offener Straße abknutscht und das völlig falsch versteht. Scheiße!
Marie kramte in ihrer Handtasche nach dem Handy und wählte Stuarts Nummer. Und wie falsch er das alles interpretierte, denn er drückte ihren Anruf einfach weg.
„Es ist mir schnurz, wie jung ich bin, und dein Typ ist mir scheißegal. Ich will dich. Ich liebe dich und ich will mit dir zusammen sein. Ich kann nicht gegen meine Gefühle ankämpfen. Ich kann nicht essen, nicht schlafen und ständig denke ich nur an dich, Marie.“
„Jamie, hör auf damit. Du bist ein …“
Bevor sie das Wort Kind ausspuckte, bremste sie sich rechtzeitig. Er sah verzweifelt aus und genauso fühlte sie sich selbst. Es war zum Mäusemelken, gerade versuchte sie, eine Baustelle zu beenden, schon öffnete sich eine andere.
„Lass uns was trinken gehen, lass uns reden, bitte, Marie. Ich …“
Jamie zeigte auf die Bar gegenüber. Marie seufzte, wählte erneut Stuarts Handy an, doch er hatte es ausgeschaltet. Alles in ihr drängte darauf, zu reden, aber nicht mit Jamie. Sie wollte Stuart die Sache erklären.
„Das führt zu nichts. Ich werde meine Meinung nicht ändern. Ich bin zu alt für dich und du solltest mit gleichaltrigen Mädchen ausgehen.“
„Ich verstehe dich. Ich will dich auch nicht überreden. Nur ein Glas Wein und dann werde ich dich nicht wieder behelligen.“
Marie ließ ihre Schultern sacken und atmete tief durch. Jamies Bettelblick machte es schwer, nein zu sagen, dabei sollte sie längst in ihrem Auto sitzen und auf dem Weg zu Stuart sein.
„Okay, ein Glas und dann sehe ich dich nie wieder.“
Jamie lächelte und ging voraus. Wie konnte das wieder passieren? Vorher hätte sie ihm noch eine runtergehauen und wäre einfach gegangen. Aber jetzt? Als Marie noch so tun konnte, als würde sie gar nichts berühren, war das Leben wesentlich einfacher gewesen. Sie überquerte die Straße und folgte Jamie in die Bar. Ein Glas und dann würde sie sich mit Stuart auseinandersetzen. Irgendwie hatte er schließlich Schuld daran, dass sie so weich geworden war.
17
Die Reste des Candle-Light-Dinners lagen verstreut auf dem Boden und Paco lag genüsslich kauend zwischen den Spaghetti und leckte die Pastasoße vom Boden. Wütend ließ Stuart seine Hände durch das Haar gleiten und starrte seinen Hund an. Hatte er sich wirklich so in ihr getäuscht? War er ein weiteres Mal auf ihre theaterreife Vorführung reingefallen? Er hatte sich heute Abend vorgenommen, ihr alles über sich zu erzählen. Er war bereit, es tatsächlich auf einen Versuch ankommen zu lassen. Ihm war klar, dass er bereits viel zu sehr involviert war, um seinen Prinzipien treu zu bleiben. Es war lange her, dass er mit dem Gedanken gespielt hatte, sich auf eine Beziehung einzulassen. In weniger als fünf Minuten hatte sie ihm jedoch bewiesen, wie gut er damit fuhr, an diesen Grundsätzen festzuhalten.
Erneut hatte Marie es geschafft, dass Stuart sich wie ein verdammter Anfänger fühlte. Die Tatsache, dass sie wusste, was er gesehen hatte und sie nicht hier war, um wenigstens eine fadenscheinige Ausrede zu finden, gab ihm recht. Er war dumm gewesen, zu glauben, dass Marie die Frau sein könnte, mit der er sich eine Zukunft hätte vorstellen können. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen und er würde seine revidieren. Sollte sie doch mit anderen ihre Spielchen spielen und hinter ihrem Stachelpanzer so tun, als wäre sie unnahbar, hart und unantastbar.
Stuart erhob sich. Nachdem er das Chaos zu Pacos Leidwesen beseitigt hatte, stieg er in seinen Wagen und fuhr zu der BDSM-Party, die zu Gunsten einer HIV-Stiftung stattfand. Simon und Erica waren bereits dort. Doch für ihn war es nur ein Ansatzpunkt, wieder in sein altes Leben zurückzukehren.
Marie nickte, obwohl sie kaum ein Wort von dem verstand, was Jamie sagte. Alles verschwamm vor ihren Augen. Alles hörte sich so blechern an. Ihr war schwindlig. Sie fühlte sich benommen, fast, als wäre sie betrunken. Prüfend blinzelte sie zu dem halb vollen Rotweinglas,
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