Zähmung der Wildkatze
du bist doch sonst so zuverlässig.“
Marie wägte ab, ob sie ihrer besten Freundin von Stuart, der Nacht und diesem umwerfenden Kuss erzählen sollte. Sie fühlte sich tatsächlich anders, wie befreit, als wäre eine schwere Last von ihr abgefallen. Es war verrückt, zu verrückt, und bevor sie nicht mit Stuart gesprochen hatte, wollte sie es einfach für sich behalten. Die Vorfreude auf den heutigen Abend mit ihm allein kribbelte in ihrer Magengegend.
„Okay, du musst ja nicht gleich reden wie ein Wasserfall.“
„Entschuldige, Erica. Ich weiß, ich hätte wenigstens absagen können. Wir holen das nach.“
„Wie wäre es mit heute Abend? Simon ist auf einer Veranstaltung eingeladen und ich suche noch nach einer Ausrede, mich diesem SchickimickiGetue zu entziehen. Hilf mir! Oh, warte mal kurz …“
Erica unterhielt sich mit Simon. Marie hörte ihn von einer Einladung zu einer BDSM-Party reden, doch Erica lehnte ab, sie habe sich bereits mit Marie zum Frauenabend verabredet.
„Bist du noch dran?“
„Ja, ich hab mitbekommen, dass dich dein Ehemeister auf eine böse Peitschenfete abschleppen will. Also doch keine Bussi-Bussi-Gesellschaft. Was den Frauenabend betrifft, ich …“
„Simon kann da auch allein hingehen, ich würde gerne mit dir endlich wieder cocktailschlürfend im Logans sitzen und Männer begutachten …“
Marie lachte, wissend, dass Simon neben seiner Frau stand.
„Du lässt ihn allein zu so was gehen?“
„Sicher, warum nicht? Wir sind zwar verheiratet, aber Appetit holen darf jeder sich auch woanders …“
„Aha, aber zu Hause wird gegessen.“
„Du hast es erfasst.“
Marie lächelte, denn Erica klang glücklich. Unweigerlich musste sie an Stuart denken. „Erica, was den Abend betrifft, ich bin bereits verabredet.“
„Oh, kannst du das nicht verschieben? Wir beide sehen uns so selten in letzter Zeit.“
Innerlich bettelte sie Erica an, nicht nachzuhaken, denn sonst würde sie in Erklärungsnot kommen. Marie erinnerte sich an ihre Worte bezüglich Stuart und sie wollte keine Wiederholung hören. Nicht, ehe sie wusste, wohin das zwischen ihnen führen würde.
„Es ist wichtig, ich kann das nicht absagen.“
Und will es auch gar nicht!
„Na gut, dann eben ein anderes Mal.“ Erica klang enttäuscht, aber das war nicht zu ändern.
„Versprochen, ich mach es wieder gut.“
„Ähm, arbeitest du heute nicht?“
Maries Blick fiel auf die digitale Uhr auf ihrem Fernseher. „Oh, Sch … eibenhonig. Paul macht mich einen Kopf kürzer. Lass uns einfach noch mal telefonieren, okay? Viel Spaß auf der Peitschenparty.“
Erica lachte leise. „Ich wünsche dir einen schönen und erfolgreichen Tag, Punk.“
Egal, wie sehr sie sich mit dem Styling beeilen würde, sie wäre viel zu spät. Marie rief Paul im Laden an. Der Kollege lachte sie aus, denn es war das erste Mal in all der Zeit, dass sie sich wirklich wegen Trödeln verspätete. Und natürlich vermutete er einen Mann dahinter, doch Marie schwieg zu dem Thema.
Der Vormittag war gefüllt mit Kartons von Neulieferungen, die im Lager einsortiert und im Verkaufsladen präsentabel hergerichtet werden musstenzwischen Verkaufsgesprächen und Terminabsprachen mit Kunden. Paul sprach mit keiner Silbe über ihren gestrigen Wutausbruch und fast hätte sie es selbst vergessen, bis Jamie plötzlich in der Boutique stand. Er sah jämmerlich aus. Unrasiert, mit Schatten unter den Augen und selbst sein Lächeln wirkte bedrückt. Marie überkreuzte ihre Arme vor der Brust und sah ihn skeptisch näher kommen.
„Habe ich mich gestern nicht klar ausgedrückt?“
Sie rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. Als Jamie vor ihr stehen blieb, machte ihr Herz einen Satz. Er wirkte völlig fertig und niedergeschlagen. Mit beiden Händen rieb er sich über das Gesicht und seufzte. War sie zu hart zu ihm gewesen?
„Ich bin hergekommen, um mich zu entschuldigen.“
Er klang so kleinlaut. Marie hatte wirklich Schwierigkeiten, ihre Abwehrhaltung aufrecht zu halten.
„Ich … weiß nicht, was in mich gefahren ist. Wenn du dich von mir belästigt gefühlt hast, dann habe ich das gestern wirklich verdient.“
Verdammt! Da stand ein junger Mann vor ihr, der aussah als hätte ihm das Leben übel mitgespielt. Hatten ihn ihre Worte so massiv getroffen?
Wow, du bist echt ein Elefant im Porzellanladen, Marie
. Jamie Manson hätte sich rächen können. Sein Vater hatte garantiert gute Kontakte zur Geschäftsleitung und eigentlich hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher