Zaertlich beginnt die Nacht
…
„Nein“, entfuhr es ihr. „Nein!“
„Oh doch“, knurrte Nicolo und drückte die Tür mit der Schulter auf.
6. KAPITEL
Es hieß, Wut würde sich mit der Zeit abkühlen.
Unfug!
In den dreißig oder vierzig Minuten, die es gedauert hatte, Aimee Blacks Adresse aus dem Telefonbuch herauszusuchen und mit dem Taxi durch die verstopften Straßen zu fahren, hatte Nicolos Wut keinen Deut von ihrem Ausmaß verloren.
Falls überhaupt, dann brannte die Rage jetzt nur noch heißer in ihm.
Schlimm genug, dass sie bei dem perfiden Plan ihres Großvaters mitgemacht hatte. Schlimmer war, dass sie ihn weiterhin anlog. Sie hatte bestimmt nicht vorgehabt, sich in ihrem eigenen Netz zu verfangen, aber es war geschehen. Dessen war er sicher.
Nicolo kannte die Frauen. Die süßen Nichtigkeiten, die sie von sich gaben und die dem Ego eines Mannes so schmeichelten. Die kleinen Dinge, die Frauen taten, wenn die Leidenschaft echt war.
Und was Aimee in seinen Armen gefühlt hatte, war echt gewesen.
Die Seufzer, das Stöhnen, die leisen Lustschreie, das alles war nicht gespielt gewesen. Es war so echt gewesen, dass er es sein Lebtag nicht vergessen würde.
Er würde sie dazu bringen, es zuzugeben. Sie mochte es darauf angelegt haben, ihn zu verführen. Doch nach den ersten Minuten hatte sich alles geändert. Aimee war ihm auf dem Weg in die Welt der Lust gefolgt.
Dio, allein wenn er daran dachte, reagierte sein Körper. Wenn das nicht absolut lächerlich war, dann wusste er nicht, was sonst. Er hatte genug Frauen gehabt und konnte jede haben. Mindestens ein halbes Dutzend wartete in Rom auf ihn. Und ein Anruf würde völlig ausreichen, dass sie ihn mit offenen Armen in ihrem Bett willkommen hießen.
Sein Ego ließ nicht zu, dass er hier nicht klarstellte, wer der Sieger in dieser ganzen Angelegenheit war. Nicht nur, dass er James Black in seinem Vorstandszimmer hatte sitzen lassen und einfach gegangen war, er würde darüber hinaus die Komplizin des alten Mannes zu dem Eingeständnis zwingen, dass das, was sie empfunden hatte, echt gewesen war.
Das war ihre Strafe für das hinterhältige Spiel, das sie mit ihm getrieben hatte.
Niemand log Nicolo Barbieri an und kam ungeschoren davon. Schon gar nicht eine Frau, die ihn seit drei Monaten jede Nacht in seinen Träumen verfolgte.
Das Taxi hielt am Straßenrand vor einem schäbigen fünfstöckigen Ziegelsteinbau. James Blacks Enkelin lebte hier? Das Luxus-Partygirl?
Vielleicht hatte er ja die falsche Adresse.
Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
Nicolo reichte dem Fahrer einen Geldschein, stieg aus und ging die Vortreppe hinauf. Die Haustür stand offen. Keine gute Idee in einer zwielichtigen Gegend wie dieser hier.
Im muffig riechenden Hausflur las Nicolo die Namensschilder auf den Briefkästen an der Wand. A. Black wohnte in Apartment 5c.
Vor ihm lag eine schlecht beleuchtete Treppe. Also begann Nicolo den Aufstieg. Bis er im fünften Stock angelangt war, hoffte er geradezu, bei der falschen Adresse gelandet zu sein. Dieses Gebäude war das Paradebeispiel eines Hauses, das die Leute zu meiden suchten, wenn sie in Manhattan lebten. Andererseits … was ging es ihn an, wie James Blacks Enkelin lebte?
Nicolo zögerte. Ob es wirklich eine so gute Idee war, hier herzukommen? Was würde es ihm bringen, wenn sie zugab, die Nacht mit ihm genossen zu haben? War sein Ego denn so schwach, dass er Bestätigung von einer Frau wie ihr brauchte?
Bevor er seine Meinung ändern konnte, drückte er den Klingelknopf.
Nichts, niemand rührte sich.
Er klingelte noch einmal. Und noch einmal. Sie war nicht zu Hause. Das hieß, wenn sie überhaupt hier wohnte. Was er ernsthaft bezweifelte.
Die Tür wurde aufgezogen, nur wenige Zentimeter. Es reichte ihm, um die Frau zu erkennen, die dahinter stand.
Aimee.
Mit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. „Nein“, flüsterte sie. „Nein!“
Als Nächstes würde dieser flehende Ausdruck in ihre Augen treten, das kannte Nicolo bereits. Genauso hatte sie es bei ihrer ersten Begegnung auch gemacht.
Sie wollte die Tür zudrücken, doch er war schneller. Mit einem Schrei wich sie zurück. Eine Sekunde darauf stand Nicolo in einer winzigen Diele, und Aimee presste sich mit dem Rücken an die Wand, in ihrem Blick erkannte er pure Angst.
Sein Magen zog sich zusammen. In jener Nacht hatte sie keine Angst vor ihm gehabt. Aber inzwischen hatte sich einiges geklärt. Es war gut, dass sie Angst vor ihm hatte. Wenn er erst mit ihr fertig war
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