Zaertlich beginnt die Nacht
an“, meinte Damian mit todernster Miene.
Nicolo schlang sich nun das Handtuch um den Nacken. „Ja, ich weiß schon. Aber ich habe ein wichtiges Meeting am Montag.“
„Na und, ich auch.“
„Ich hoffe, ich kann den Deal mit James Black über die Bühne bringen.“
„Wow, das ist wichtig. Also feiern wir schon im Voraus ein bisschen, in Lukas’ Laden.“
„He, ich brauche einen klaren Kopf. Genug Schlaf, kein Alkohol, keine Ablenkungen …“
„ Oh nein ! Sag’s nicht. Kein Sex?“
„Kein Sex“, bestätigte Nicolo.
„Sex ist keine Ablenkung, sondern Training. Und gut fürs Herz.“
„Aber schlecht für die Konzentration.“
„Blödsinn.“
„Davon waren wir in der Footballmannschaft überzeugt, weißt du noch? Und wir haben gewonnen.“
„Wir haben gewonnen“, widersprach Damian trocken, „weil die anderen so lausig waren.“
„Ich mein’s ernst.“
„Ich auch. Keinen Sex zu haben ist wider die Natur.“
„Idiot.“ Es klang mehr wie ein Kosename und nicht wie ein Schimpfwort. Die beiden Männer wählten ihre Geräte. „Es ist nur eine Frage der Disziplin“, sagte Nicolo.
„Es sei denn, dir läuft eine so überwältigende Dame über den Weg, dass dir auch deine Disziplin nichts mehr nützt“, schnaufte Damian, der mit Achtkilohanteln arbeitete.
„Das wird nie passieren“, erwiderte Nicolo. Unerwartet und unerwünscht schob sich das Bild der unfreundlichen Blondine vor seine Augen, mit wütendem Blick und kalter Ablehnung auf ihrem Gesicht.
Nicolo hatte ebenfalls nach den Achtkilohanteln greifen wollen. Doch er entschied sich für ein schwereres Paar und trainierte mit ihnen, bis er nichts anderes mehr registrierte als reißenden Schmerz.
Ein Stück entfernt, in einem anderen Teil Manhattans, der kurz davor stand, von der Szene entdeckt zu werden, im Moment aber noch mehr an Slums erinnerte, schlug Aimee Stafford Coleridge Black die Tür ihres Apartments hinter sich zu, schüttelte sich den Wildledermantel von den Schultern und streifte sich die Stiefel von den Füßen.
Der Mantel rutschte vom Stuhl, die Stiefel prallten an der Wand ab. Aimee scherte sich nicht darum.
Schon erstaunlich, wie verheißungsvoll ein Tag beginnen konnte, um dann als Desaster zu enden.
Sie ging in die Küche und stellte einen Wasserkessel auf den Herd, überlegte es sich aber anders. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war Koffein. Sie war auch so schon aufgekratzt genug. Und die Verantwortung dafür trug ihr Großvater, James Black.
Warum bestellte er sie in sein Büro, um dann nicht die Ankündigung zu machen, mit der sie gerechnet hatte?
„Im nächsten Mai werde ich mich zur Ruhe setzen, an meinem neunzigsten Geburtstag“, hatte er ihr schon im letzten Jahr mitgeteilt. „An diesem Zeitpunkt werde ich die Bank in die Hände einer Person meines Vertrauens übergeben. Diese Person wird die Bank dann die nächsten fünfzig Jahre natürlich im Sinne der Familie Stafford-Coleridge-Black weiterführen.“
Die Familie. Für James Black so wichtig wie die Luft zum Atmen. Was Aimee nur recht sein sollte. Schließlich vereinte sie als einzige Person sowohl die entsprechende Abstammung als auch die notwendige Ausbildung. Sie hatte einen Bachelor in Finanzwesen, ein Diplom in BWL, und seit der Highschool jeden ihrer Sommer als Praktikantin in der Bank verbracht. Sie wusste mehr über die Bank als jeder andere Mensch, wahrscheinlich sogar mehr als Großvater, der noch immer in einer Welt lebte, in der weder Faxgerät noch E-Mail existierten.
Aimee ging ins Schlafzimmer und zog sich das Armani-Kostüm aus. Sie hatte es heute Morgen gewählt, weil sie sachlich und geschäftsmäßig aussehen wollte, wenn sie vor ihren Groß vater trat – obwohl sie genau wusste, dass man Geschäfte genauso gut in Jeans wie in einem Kostüm abschließen konnte. Sie hatte sogar eine kleine Rede vorbereitet, mit dem Tenor, dass sie die Tradition hochhalten und nichts am Führungsstil ändern würde. In Gedanken würde sie die Finger kreuzen, wenn sie das sagte. Es gab da so einiges, was geändert werden musste.
Sie war pünktlich auf die Minute gewesen – ihr Großvater legte großen Wert auf Pünktlichkeit –, hatte einen Kuss auf seine Wange gehaucht, sich auf sein Geheiß hin gesetzt und die Finger auf dem Schoß verschränkt.
Und sie hörte ihm dabei zu, wie er sie wissen ließ, er habe noch immer keine definitive Entscheidung getroffen.
Ruhe bewahren, hatte sie sich ermahnt. Und sie war ruhig geblieben,
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