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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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viel versprechen können. Wenn es um das Trinken geht, können wir   – bei entsprechender Mitarbeit des Patienten   – manchmal helfen. Als Erstes müsste ich mit dem jungen Mann sprechen, sein Vertrauen gewinnen und sehen, ob er irgendwie einsichtig ist.«
     
    Der junge Mann, mit dem er auf der Terrasse saß, war ungefähr zwanzig, gut aussehend und wachsam.
    »Ich möchte ihre Einstellung kennenlernen«, sagte Dick. »Haben Sie das Gefühl, dass es schlimmer wird? Wollen Sie daran etwas ändern?«
    »Ich glaube, ja«, sagte Francisco. »Ich bin sehr unglücklich.«
    »Glauben Sie, dass es vom Trinken kommt oder von der Anomalie?«
    »Ich glaube, das Trinken wird von dem anderen verursacht.« Er blieb einen Augenblick ernst, aber plötzlich überwältigte ihn eine ununterdrückbare Spottlust. Lachend sagte er: »Es ist hoffnungslos. Im King’s College war ich als ›Queen of Chili‹ bekannt. Und diese Spanienreise   – damit haben sie nur erreicht, dass mir beim Anblick von Frauen schlecht wird.«
    Dick fing ihn sofort wieder ein. »Wenn Sie sich in dieser Schweinerei wohl fühlen, dann kann ich Ihnen nicht helfen und verschwende nur meine Zeit.«
    »Nein, lassen Sie uns reden   – die meisten anderen verachte |372| ich so.« Er zeigte jetzt eine durchaus männliche Haltung, die vom aktiven Widerstand gegen den Vater geprägt war. Aber er hatte auch den typischen schelmischen Blick, den man bei Homosexuellen beobachtet, wenn sie über das Thema reden.
    »Auch im besten Fall wird es immer eine zwiespältige Angelegenheit bleiben«, erklärte ihm Dick. »Sie werden Ihr ganzes Leben damit verbringen, sich mit den Folgen auseinanderzusetzen, und Sie werden weder die Zeit noch die Kraft haben, irgendeine andere anständige oder gesellschaftlich nützliche Tat zu vollbringen. Wenn Sie der Welt ins Auge blicken wollen, müssen Sie damit anfangen, dass Sie Ihre Sexualität unter Kontrolle bringen   – und vor allem die Sauferei, die dazu führt   –«
    Er redete jetzt nur noch mechanisch, denn er hatte den Fall aufgegeben   – schon vor zehn Minuten. Sie plauderten noch eine Stunde lang in aller Liebenswürdigkeit über die chilenische Heimat des Jungen und seine Ziele im Leben. So viel nicht nur medizinisches Interesse für eine solche Person hatte Dick bisher noch nie aufbringen können. Er begriff, dass es gerade sein Charme war, was Francisco sein skandalöses Betragen erlaubte. Und Charme besaß für Dick immer eine unabhängige Qualität, ob es nun die wahnwitzige Tapferkeit der unglücklichen Künstlerin war, die heute Morgen in der Klinik gestorben war, oder die couragierte Anmut, mit der dieser verlorene junge Mann diese schäbige alte Geschichte ertrug. Dick versuchte, sich das alles in kleine Portionen zu schneiden, die man gut abspeichern konnte   – obwohl er durchaus wusste, dass die Gesamtheit eines Lebens womöglich eine ganz andere Qualität haben konnte als seine Teile, auch wenn man das Leben mit vierzig nur noch in Teilabschnitten wahrnimmt. Seine Liebe |373| zu Nicole und Rosemary, seine Freundschaft mit Abe North und Tommy Barban in der zerbrochenen Nachkriegswelt   – in diesen Beziehungen hatten sich ihm die Persönlichkeiten der anderen so aufgedrängt, dass sie zu seiner eigenen wurden, und es schien unausweichlich, entweder
alles
oder
nichts
anzunehmen. Es war, als ob er für den Rest seines Lebens dazu verdammt wäre, die Egos bestimmter Leute, die er früh kennen und lieben gelernt hatte, mit sich herumzuschleppen und nur insoweit heil und ganz sein zu können, wie sie es selbst waren. Es hatte auch etwas mit Einsamkeit zu tun   – es ist so leicht, geliebt zu werden, und so schwer, zu lieben.
    Als er so mit dem jungen Francisco auf der Terrasse saß, schwamm plötzlich ein Gespenst aus der Vergangenheit in seinen Gesichtskreis. Ein schlanker, hochgewachsener Mann trat aus den Büschen. Eine Sekunde lang wirkte er so unentschlossen, dass er geradezu mit der Landschaft verschmolz und Dick ihn gar nicht bemerkte. Aber dann näherte er sich mit eigenartig wiegenden Schritten, und im nächsten Augenblick war Dick auch schon auf den Füßen und schüttelte ihm geistesabwesend die Hand. ›Mein Gott‹, dachte er, ›hab ich hier ein ganzes Nest aufgescheucht?‹ Angestrengt versuchte er, sich an den Namen des Mannes zu erinnern.
    »Sie sind doch Doktor Diver, nicht wahr?«
    »Na, so was! Mr Dumphry, nicht wahr?«
    »Royal Dumphry, genau. Ich hatte einmal das Vergnügen, in

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