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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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so erschien ihnen der Raum noch eine ganze Weile länger wie ein Palast   …
     
    Als er sich schließlich doch angezogen hatte, rief Tommy: »Mein Gott, diese beiden Engländerinnen unter uns sitzen |449| immer noch in den Schaukelstühlen auf ihrem Balkon. Sie versuchen den ganzen Wirbel da unten einfach so wegzureden. Sie haben ihren billigen Urlaub gebucht, und die amerikanische Navy und alle Huren Europas können ihn nicht verderben.«
    Er kam zurück, umarmte sie vorsichtig und zupfte den Träger ihres Unterhemds mit den Zähnen zurecht, als plötzlich ein markerschütterndes Getöse von draußen hereindrang: »KRA-WUMM!« Das Schlachtschiff rief die Matrosen zurück an Bord.
    Daraufhin brach unter ihnen endgültig ein Pandämonium los   – denn wohin das Schiff fahren würde, war noch nicht bekannt. Kellner rannten mit Rechnungen herum und verlangten mit heftigen Stimmen Bezahlung. Eide wurden geschworen und Summen bestritten; zu große Scheine und zu kleines Wechselgeld flogen herum; Betrunkene wurden in die Boote getragen und die Militärpolizei schnitt mit scharfen Kommandos dazwischen. Es gab Geheul, Tränen, Schreie und laute Versprechungen, als die erste Barkasse ablegte und die Frauen kreischend und winkend hinaus auf den Kai stürmten.
    Tommy sah, wie eins der Mädchen unten auf den Balkon trat und eine Serviette schwenkte, aber noch ehe er feststellen konnte, ob die beiden Engländerinnen bereit waren, ihre Gegenwart zur Kenntnis zu nehmen, klopfte es auch schon an ihrer eigenen Tür. Aufgeregte weibliche Stimmen veranlassten sie, die Tür zu entriegeln. Auf dem Flur standen zwei junge Mädchen, dünn und barbarisch, weniger verloren als nicht gefunden. Eine von ihnen schluchzte so stark, dass sie beinahe erstickte.
    »Könn’ wir von Ihrem Balkon winken?«, bettelte die andere in leidenschaftlichem Amerikanisch. »Könn’ wir? Unseren |450| Boyfriends winken? Bitte, könn’ wir? Die anderen Zimmer sind alle verschlossen.«
    »Mit Vergnügen«, erklärte Tommy.
    Die Mädchen stürmten auf den Balkon, und ihre Stimmen mischten sich mit schrillen Trillern ins allgemeine Getöse.
    »Tschüß, Charlie! Charlie, schau doch mal rauf!«
    »Schick uns ein Telegramm ans Postamt in Nizza!«
    »Charlie! Er sieht mich nicht.«
    Plötzlich hob eins der Mädchen ihren Rock, zerrte ihren rosa Schlüpfer darunter hervor, riss ihn in zwei Teile und schwenkte ihn wie eine Flagge. »Ben! Ben!«, schrie sie laut. Als Tommy und Nicole das Zimmer verließen, flatterte die Unterhose immer noch wild in den blauen Himmel, während am Heck des Schlachtschiffs als Konkurrenz das Sternenbanner gehisst wurde. Sag, kannst du die zarte Farbe erinnerten Fleisches erkennen? 2*
     
    Sie speisten im Strandkasino in Monte Carlo   …
    Viel später gingen sie in Beaulieu schwimmen, in einer von phosphoreszierendem Wasser gefüllten Höhle aus weißem Mondlicht, umgeben von einem Kreis blasser Felsen mit Blick auf Monaco und die verschwommenen Lichter von Menton. Es gefiel ihr, dass er sie hierhergebracht hatte, zu diesem Ausblick nach Osten und den überraschenden Tricks von Wellen und Wind; es war alles genauso neu wie sie sich selbst waren. Symbolisch lag sie über seinem Sattelknauf, als ob er sie in Damaskus geraubt und in die mongolische Steppe entführt hätte. Von Minute zu Minute fiel alles von ihr ab, was Dick sie gelehrt hatte, und sie kehrte zu dem zurück, was sie am Anfang gewesen war   – Idealbild jenes heimlichen Waffenstreckens, das überall |451| ringsum stattfand. Im Mondlicht von Liebe gefesselt, gab sie sich der Gesetzlosigkeit ihres Liebhabers hin.
    Sie erwachten gemeinsam. Der Mond war untergegangen und die Luft merklich kühler geworden. Sie kämpfte sich mühsam hoch und fragte, wie spät es wäre. Ungefähr drei, sagte Tommy.
    »Dann muss ich jetzt wohl nach Hause.«
    »Ich dachte, wir schlafen in Monte Carlo.«
    »Nein. Es gibt noch die Kinder und die Gouvernante. Ich muss vor Tagesanbruch zu Hause sein.«
    »Wie du willst.«
    Sie tauchten noch einmal kurz ins Wasser, und als er sie zittern sah, rubbelte er sie mit einem Handtuch trocken. Mit frischer, glühender Haut und immer noch feuchten Köpfen stiegen sie in den Wagen und hassten die Vorstellung, dass sie zurückfahren mussten. Es war sehr hell dort, wo sie waren, und als Tommy sie küsste, spürte sie, wie er sich in ihrer weißen Haut, ihren weißen Zähnen, ihrer kühlen Stirn und der Hand, die sein Gesicht umfasste, verlor.
    Sie war noch

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