Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
mir ebenfalls übel mitspielen.«
»Aber wir mickrigen Menschlein? Wir können dir nichts anhaben, oder?«
»Das wäre jedenfalls sehr schwierig.«
Emily riss sich die Jacke von den Schultern und schleuderte sie auf Uriel. »Vielleicht hättest du das ja schon früher erwähnen können?! Es wäre jedenfalls nett gewesen zu wissen, dass wir keine Chance haben.«
Der Erzengel fing die Jacke auf. »Ich habe dich sehr wohl davor gewarnt, es bloß nicht mit Asasel aufzunehmen. Und offen gestanden hatte ich gehofft, dass er durch die Große Flut gelitten haben könnte. Dass er nicht mehr er selbst ist.«
Eine Erinnerung stieg in Emily auf. »Was ist mit dem Zerbrochenen Glorienschein? Er hat
dir
Kraft geraubt. Könnte er Asasel besiegen?«
»Er würde ihn auf jeden Fall schwächen«, bestätigte Uriel. »Aber der Zauber, mit dem der Glorienschein aktiviert wird, gehört der Arkanen-Magie an und ist sehr schwierig.«
»Du hast doch eine Scherbe, oder? Eine von Luzifers Glorienschein? Ich will sie haben.«
Seine Augen verengten sich. »Hast du nicht gehört, was ich eben gesagt habe?«
»Ich hab’s gehört. Gib sie mir.«
»Emily …«
Sie schob den Schirm ihrer Kappe nach hinten, damit sie ihm direkt in die Augen schauen konnte. »Ich sehe die Sache so: Der Kerl ist offenbar hinter Kiyokos Schleier her, der die Menschheit zu vernichten imstande ist, auch wenn er nicht nach verrottenden Algen riecht. Meiner persönlichen Meinung nach stehen die Chancen ziemlich gut – sofern Asasel noch am Leben ist –, dass er es wieder versuchen wird. Willst du nun, dass ich die Welt rette, oder willst du das nicht? Gib mir die Scherbe.«
Uriel erwiderte ruhig ihren wütenden Blick. »Glaubst du wirklich, dass du so weit bist, Asasel gegenüberzutreten?«
»Nein«, räumte sie ein. »Aber ich habe Freunde.«
Uriel zog seine Hand aus der Hosentasche und öffnete sie. Auf seiner Handfläche lag das schimmernde Bruchstück einer Scheibe, das Emily von dem Gefecht vor sieben Monaten in der ägyptischen Wüste her kannte. Es sah so gewöhnlich, so harmlos aus, wie von Menschenhand geschaffen. Aber sie wusste, wozu es imstande war. Und sie wusste auch, welch großer Vertrauensbeweis es war, dass Uriel es ihr überließ.
Sie nahm ihm die Scherbe aus der Hand. Kühl fühlte sie sich an.
»Viel Glück!«, sagte der Erzengel.
Dann verschwand er in einem Lichtblitz.
Murdoch verlor um sieben Uhr morgens endgültig die Geduld. Er beschwor einen blauen Lichtstrahl und schleuderte ihn beherzt gegen die Mauer, so dass etwas Mörtel herabfiel. Ansonsten richtete er keinen Schaden an. Der Schotte lehnte Dikas frisch gebackenes Fladenbrot ab, riss ihr aber mit einem gemurmelten Dank eine Tasse Kaffee aus der Hand, als er den Wohnwagen verließ. Es war nicht ihre Schuld, dass Stefan ein Schwachkopf war.
Sollte der elende Magier jemals wiederauftauchen, würde er ihn eigenhändig erwürgen.
Um den anderen Wächtern und dem unvermeidlichen morgendlichen Smalltalk aus dem Weg zu gehen, entschied sich Murdoch für ein paar friedliche Stunden mit seinem Triumph Thunderbird. So früh am Tag ging es in der Garage so ruhig zu wie in einem Pub am Montag.
Nachdem er einen Eimer mit warmem Seifenwasser gefüllt und ein Fensterleder aufgetrieben hatte, machte er sich daran, das Motorrad vom Staub der letzten drei Wochen zu befreien. Es wirkte beruhigend auf ihn, den Dreck abzuwaschen und das Stahlgestänge mit bedächtigen Liebkosungen trocken zu reiben, so dass die blitzende Schönheit darunter wieder zum Vorschein kam. Eine Stunde später glänzte die schwarze Karosserie, und die Handgriffe, das Gabelbein und der Auspufftopf aus Chrom funkelten.
»Hier hast du dich also verschanzt.«
Er blickte auf.
Kiyoko lehnte am Kühler von MacGregors Audi. Ausnahmsweise trug sie heute keinen
gi.
Stattdessen hatte sie eine dunkelblaue Röhrenjeans und ein rosafarbenes, kurzärmeliges T-Shirt mit der weißen Aufschrift »Pink This!« übergestreift. Der schwarze Gürtel war keck um ihre Hüften geschlungen, und ihr dunkles Haar fiel ihr offen über den Rücken.
Er schluckte.
Sie sah zum Anbeißen aus.
»Ich verschanze mich nicht«, erwiderte er, während er den Blick wieder auf das Motorrad senkte und mit aller Macht versuchte, dem Blutsturz in die Lendengegend Einhalt zu gebieten. »Ich habe mir eine Höhlenmensch-Auszeit genommen.«
Sie kam über den Betonboden zu ihm herüber, bis er ihre Ballerinas sehen konnte. »Eine
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