Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
ihn.
Kiyoko erlangte ihre Gemütsruhe in dem Moment wieder, in dem der Kampf mit Takeo begann. Alle wirren Gedanken an Murdoch fielen von ihr ab und wurden von der kühlen Absicht zu töten abgelöst. Sie erreichte den jungen Kämpfer mit zwei wohlüberlegten Schritten und bestürmte ihn mit einer raschen Folge von Standardattacken und -paraden, die der anhaltende Energiefluss des Tempelschleiers in ihren Körper ermöglichte.
Leider konnte das, was Takeo heute angerichtet hatte, nicht ungeschehen gemacht werden. Wenn er weiterlebte, würde er die anderen Kämpfer um ihn herum vergiften und ihnen die Zuversicht rauben, die sie brauchten, um zu gewinnen. Glaube war die Hauptstütze der Onmyōji. Ohne das unerschütterliche Vertrauen in die Rechtmäßigkeit dessen, was sie taten, würden sie den Krieg gegen das Böse nicht für sich entscheiden können.
Ihr Widersacher griff schnell, aber ohne große Originalität an. Das jahrelange Training mit ihr wiegte ihn in falscher Sicherheit, und so glaubte er, dass seine Vertrautheit mit ihrem Kampfstil ihn ihre nächsten Bewegungen erahnen lassen würde. Sie wusste sich seine Arroganz zunutze zu machen. Indem sie ihr Tempo variierte und aus dem Vollen ihres Kampfrepertoires schöpfte, bedrängte sie ihn hart und zwang ihn immer weiter zurück. Eine rasche Folge von Schwerthieben, dann eine Drehung nach links, und sie durchbohrte seinen schwachen Schild ersten Grades mit einem geschmeidigen, bogenförmigen Schlag ihres Schwertes.
Der Auslöser der Bombe fiel zu Boden.
Takeo hatte seine Mitkämpfer erschlagen, seine eigenen Brüder mit unentschuldbarer Brutalität umgebracht. Selbst wenn es ihr gelingen sollte, den jungen Mann davon zu überzeugen, in den Schoß der Gemeinschaft zurückzukehren, ließ sich das Vertrauen der anderen in ihn nie wiederherstellen. Und dieser Widerwille, sich auf ihn zu verlassen, würde auch ihre übrigen Männer töten.
Sie lenkte Takeos Schwert mit ihrem eigenen ab.
Schlimmer noch, er verkörperte nun das Böse, gegen das sie jeden Tag kämpften. Wenn sie ihm Gnade erwies – wenn sie ihn weiterleben ließ –, würden ihre Männer vielleicht zögern, wenn sie künftig mit dem Bösen konfrontiert waren, und sich fragen, ob etwa Milde das Gebot der Stunde war.
Das konnte sie nicht zulassen.
Mit größtem Bedauern und ruhiger Hand stieß Kiyoko ihr Katana zwischen Takeos vierte und fünfte Rippe.
Sein Blick suchte in dem Moment, als ihre Waffe sein Herz durchbohrte, den ihren – in dem instinktiven Bedürfnis, während seines letzten Atemzugs nicht allein zu sein. Sie packte ihn schweren Herzens am Arm, als seine Knie nachgaben. Wie viele Male hatten sie sich im Dōjō duelliert? Wie viele Stunden hatte sie mit ihm an seiner Technik gefeilt? Sie ließ ihn sachte zu Boden gleiten und sah dabei zu, wie das Dunkel in seinem Blick wich. Das Böse überließ ihn seinem Schicksal.
»Sie wissen mit dem Schwert umzugehen«, gab Murdoch widerwillig zu. Er löste ihre eisigen Finger von Takeos Ärmel.
»Manchmal wünschte ich, es wäre anders.«
Er nickte. »An dem Tag, da Sie ohne Reue ein Leben auslöschen, sollten Sie das Schwert niederlegen und gehen.«
Kiyoko blickte ihn an. »Haben Sie jemals einen Menschen getötet?«
»Schlimmer. Ich habe ein paar Jungs getötet.« Seine Miene war düster. »Burschen, die niemals Gelegenheit hatten, mit dem Mädchen ihrer Träume zu schlafen oder auf ihrer eigenen Hochzeit zu tanzen.«
Sein Geständnis überraschte sie. So etwas passte nicht zu dem Ehrbegriff, der ihn offenbar aufrecht hielt. »Warum?«
Er zuckte die Achseln. »Im Krieg tut man, was man tun muss.«
Während die anderen Krieger aus den umstehenden Gebäuden kamen, um sich um ihre gefallenen Gefährten zu kümmern, sah Kiyoko hinunter auf Takeos lebloses Gesicht. »Sie sind selbst gestorben.«
»Aye.«
»Wie war das?«
»Unangenehm.«
Welche Untertreibung! Kiyoko lächelte flüchtig. »Ging es schnell?«
»Nein«, antwortete Murdoch. »Ich bin von der widerspenstigen Sorte. Ich bin nicht schnell und auch nicht leise abgetreten. Ich bin auf einem Schlachtfeld verblutet, und ich habe bei meinen letzten Atemzügen die sieben Haudegen verflucht, die mich zur Strecke gebracht hatten.«
»Haben Ihre Kameraden nicht versucht, Sie zu retten?«
»Ich befand mich weit hinter den feindlichen Linien, und es lagen jede Menge weitere Verwundete auf dem Schlachtfeld. Als die Heiler mich endlich erreichten, war es schon zu
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