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Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Titel: Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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»Es wäre unhöflich, den Fahrer warten zu lassen.«
    »Ich werde Sie begleiten«, bot Murdoch an und stand auf.
    Kiyokos Pulsschlag beschleunigte sich. Ihm vierzig Minuten lang nah sein, diesen warmen, männlichen Duft riechen, die elektrische Spannung zwischen ihnen spüren. Die Fahrt nach Sapporo würde fast unerträglich sein, aber auf eine unglaublich angenehme Weise.
    »Sie ziehen es doch sicher vor, auf dem Land zu bleiben und die frische Luft zu genießen, nicht wahr, Mr Murdoch?«, fragte Sora. »Kiyoko-san wird den ganzen Tag in einem Büro eingesperrt sein und über Zahlen brüten. Sind Sie den ganzen weiten Weg von Amerika hierhergekommen, um vier gestrichene Wände zu sehen?«
    Murdoch zögerte.
    »Bleiben Sie«, ermunterte Kiyoko ihn. »Er hat recht. Mein Arbeitstag wird Sie ziemlich langweilen.«
    Sie suchte seinen Blick, um ihre Botschaft zu unterstreichen. Aber was sie in seinen Augen sah, überraschte sie. Ihre Worte hatten es nicht geschafft, ihn zu entmutigen – wenn überhaupt, hatten sie ihn nur in seiner Ritterlichkeit bestärkt und seine Entschlossenheit gefestigt. Er hatte vor, sie zu begleiten. Aber es war ebenso klar, dass Sora das nicht wollte.
    »Ich werde allein fahren«, verkündete sie hastig, bevor er etwas sagen konnte.
    Nachdem sie diese Entscheidung getroffen hatte, drehte sie sich um und ging Richtung Tor davon. Wozu sich selbst etwas vormachen? Wenn sie Zeit mit Murdoch verbrachte, würde das Leben nach seiner Abreise nur schwerer werden. Ja, sie fühlte sich wohl mit ihm, sogar sehr. Aber allein die Intensität ihrer Reaktion auf ihn barg bereits den Abschied. Solch bebende Begierde, solch atemloses Verlangen und solch verzweifeltes Sehnen würden nicht von Dauer sein.
Konnten
nicht von Dauer sein.
    Wie Sora gesagt hatte, wartete der Wagen am Tor auf sie. Umiko stand neben der geöffneten Tür, Kiyokos Schuhe, Handtasche und eine frische Bluse über dem Arm. Kiyoko blickte an sich hinab. Spritzer von Takeos Blut zeichneten sich deutlich auf dem weißen Stoff ihres T-Shirts ab. Ihr Weg war seit Jahren vorgegeben. Sie kannte ihr Schicksal. Und doch blieb sie zwischen den steinernen Statuen der
niou
unter dem Bogen des
torii
stehen.
    Um sich umzudrehen.
    Murdoch stand genau dort, wo sie ihn zurückgelassen hatte, eine Säule der Männlichkeit vor dem Hintergrund des Tempels, und starrte sie an. Inwiefern das etwas zu bedeuten hatte, vermochte Kiyoko nicht zu sagen. Aber es war so. Sie nickte ihm zu, nahm die Kleidungsstücke von Umiko entgegen und stieg in den Wagen.
    Lächelnd.

[home]
6
    M urdoch sah ihr nach, bis der Wagen auf der Allee außer Sichtweite geriet. Dann wandte er sich dem alten Mann zu. »Kiyoko nennt Sie Sensei oder Yamashita-sensei. Wie soll
ich
Sie nennen?«
    Der Alte lächelte. »Wünschen Sie, den anderen heute beim Training Gesellschaft zu leisten, Mr Murdoch?«
    »Nein.« Das Haus nach dem Schleier zu durchsuchen wäre ein viel besserer Zeitvertreib.
    »Dann nennen Sie mich Sora-san.«
    »Okay, Sora-san. Ich gehe zurück ins Haus. Ich habe einen Anruf zu erledigen, und dann werde ich mich ausruhen, bis Kiyoko-san zurückkehrt. Rufen Sie mich, wenn etwas Ungewöhnliches geschieht.«
    Der Ältere hob die silberfarbenen Brauen. »Etwas Ungewöhnliches?«
    »Etwas Merkwürdiges, Abwegiges, Schlimmes.«
    »O ja! Wenn wir mit so etwas konfrontiert werden, brauchen wir selbstverständlich Ihre Hilfe.«
    Murdoch fasste Sora genauer ins Auge. Etwas sagte ihm, dass sich der alte Mann gerade über ihn lustig machte, aber der friedfertige Ausdruck in dem betagten Gesicht sprach dagegen. »Korrekt.«
    »Ich danke Ihnen aufrichtig.« Sora hob den Arm. »Das Westtor wird Sie zum Haus führen. Dann müssen Sie auf dem Rückweg nicht über den Zaun klettern.«
    Murdochs Nackenhaare sträubten sich. Nun ließ es sich nicht mehr leugnen, der andere nahm ihn auf den Arm. »Da, wo ich herkomme, ist Spott eine Beleidigung, die eine eindeutige Antwort verlangt. Stellen Sie mich nicht auf die Probe, alter Mann.«
    Sora lächelte. »Glauben Sie mir, Mr Murdoch: Es ist nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen. Meine Bewunderung für Sie ist groß. Wenn mich etwas erheitert, dann ist es nur die unerschrockene Art und Weise, mit der Sie Ihrem Ärger Luft machen.«
    Was Murdoch kein bisschen besänftigte.
    »Zurückhaltung war noch nie meine Stärke«, räumte er mit leiser Stimme ein. »Und Rückzug ist nur akzeptabel, wenn er den Feind in die Falle lockt.«
    Der alte Mann

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