Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
stehen.
Er hatte den Rücken des Schützen vor sich, obwohl dieser sich langsam im Kreis drehte und sie sich gleich Auge in Auge gegenüberstehen würden. Drei Gestalten lagen bewegungslos und lang ausgestreckt auf dem Hof. Unmöglich zu sagen, ob sie tot waren, bewusstlos oder sich nur tot stellten.
Und es spielte auch keine Rolle.
Der Schütze hielt eine Neun-Millimeter-Pistole in der einen Hand und eine Art Schalter in der anderen. Er trug drei weitere Holster, in denen stählerne schwarze Waffen steckten, sowie einen Gürtel mit Ersatzladestreifen, und um seine Brust war etwas geschnallt, das genauso aussah wie eine … Bombe. Dies war kein zufälliger Schusswechsel oder eine Masche, um Aufmerksamkeit zu erregen. Der Mann war auf einer Mission: töten und getötet werden.
Murdochs Hand schloss sich fester um das lederumwickelte Heft seines Schwertes. Es war eine gewöhnliche Klinge, nichts Besonderes. Kein schwerer Super-Zweihänder wie der, den MacGregor trug. Nur ein robustes, zweischneidiges Breitschwert, geschmiedet von einem alten skandinavischen Schwertmeister und durch sorgfältige tägliche Pflege in tadellosem Zustand gehalten.
Er nannte es Blutsucher.
Mit gutem Grund. Die Waffe war mit der verblüffenden Fähigkeit gesegnet, dem Gegner den Todesstreich zu versetzen, und sie hatte ihm schon treu gedient, lange bevor Stefan Wahlberg sie magisch verstärkt hatte. Ihre Geschichte war so bewegt wie seine eigene.
Aber bevor er sich darauf verlegte, den Kerl zu erschlagen, wollte er erst einmal etwas Diplomatischeres probieren. Zum Beispiel einen Schlafzauber.
Oder auch nicht.
Der Daumen dieses Burschen konnte zufällig auf den Bombenauslöser gelangen und das ganze Gelände in die Luft jagen. Ein Bindezauber würde jedoch seinen Zweck erfüllen.
Der Schütze fuhr fort, um die eigene Achse zu rotieren und wachsam nach jeder noch so kleinen Bewegung Ausschau zu halten. Noch ein Schritt und …
Murdoch sprach die Formel für den Bindezauber.
Er prallte am Schild des Schützen ab und verpuffte wirkungslos in der Luft. Nur ein paar Funken verrieten, dass Murdoch sein Ziel genau getroffen hatte. Nunmehr durch seine Anwesenheit gewarnt, feuerte der Schütze mit tödlicher Absicht in den Schatten.
Jetzt oder nie!
Murdoch aktivierte seine Seelenwächterkräfte, stürzte los und sprang mit minimaler Anstrengung seiner Oberschenkel über den Zaun auf den Hof. Nachdem er etwas mehr als einen Meter entfernt von seinem Widersacher gelandet war, schlug er ihm dank der schilddurchdringenden Verstärkung seines Schwertes mit einem harten Hieb die Pistole aus der Hand.
Der jüngere Krieger reagierte blitzschnell auf den Angriff. Er fiel in einer geschmeidigen Bewegung nach hinten, ließ den Bombenschalter los und zog sein Katana. In Windeseile hatte er eine kampfbereite Haltung eingenommen und knurrte Murdoch wütend auf Japanisch an.
Murdoch spürte ein warmes Brennen in seinen Muskeln. Sein Berserker streckte sich träge.
»Das willst du doch gar nicht, Kumpel«, sagte er sanft. »Vertrau mir. Es wird unschön enden. Nimm das Schwert runter.«
Das Glänzen in den Augen seines Gegners blieb, nur die Lautstärke seiner japanischen Standpauke steigerte sich noch.
»Yamete!«
Das kam von Kiyoko, die sich von hinten näherte und mit scharfer Stimme sprach.
Murdoch erstarrte, während sein Berserker in einen wachsamen Beschützermodus wechselte. Der Mann hatte eine verfluchte Bombe um die Brust geschnallt. Der hellrote Auslöser war gut sichtbar mit ein paar Kabeln verdrahtet. Warum, zum Henker, war sie nicht geblieben, wo er sie zurückgelassen hatte?
»Mädchen«, sagte er so ruhig zu ihr, wie es ihm unter den gegebenen Umständen nur möglich war. »Ich habe alles unter Kontrolle. Machen Sie, dass Sie wegkommen.«
»Unter Kontrolle? Er sagt, dass er das ganze Gelände in die Luft jagen wird.«
»Und genau deshalb müssen Sie weg von hier«, zischte er.
Sie ignorierte ihn. Während sie weiter beruhigend auf den jungen Krieger einredete, versuchte sie, an Murdoch vorbeizukommen.
Er streckte einen Arm aus. »Nur über meine Leiche.«
»Er hat gerade erfahren, dass sein Vater sich umgebracht hat, weil er nach fünfunddreißig Jahren seinen Job verloren hat. Er ist verbittert, aber er lässt noch mit sich reden.«
Murdoch vertraute seinem Bauch. Und seinen Augen. Die Bombe sprach Bände. »Falsch! Er ist hergekommen, um zu sterben. Reden wird gar nichts bringen. Ich würde ihm lieber nicht dabei helfen,
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