Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
verbeugte sich flink. »Dann erlauben Sie mir, derjenige zu sein, der sich zurückzieht, Mr Murdoch. Ich bitte um Entschuldigung.«
Sora ließ Murdoch auf dem Hof stehen und kehrte in den Dōjō zurück. Die Ärztin war damit beschäftigt, den Transport des verwundeten Kriegers zur Krankenstation zu überwachen, und mehrere Männer legten die Toten vorsichtig auf Tragen aus Baumwollstoff.
Die Härchen in Murdochs Nacken richteten sich erneut auf, und er wandte sich ab. Ein junger Mann hockte neben Takeos Leiche, ein Mann, den Murdoch nicht kannte. Jedenfalls nicht persönlich. Aber er kannte die sanfte Bewegung, mit der er den Hals des Toten berührte.
Der junge Mann stand auf und sah sich Murdoch gegenüber.
Der prallen Jugendfrische seiner Haut nach zu urteilen war er nicht älter als zwanzig. Er hatte gut definierte Muskeln und kurz geschnittenes Haar und trug genau dieselbe Kleidung wie jeder andere Kämpfer im Lager. Nur ein vertrauter Überdruss in den Augen des Burschen verriet ihn.
Er war ein Seelenwächter.
Da Murdoch nur Seelen holen konnte, die ein und denselben Bestimmungsort hatten, und die beiden Kriegerseelen, die er eben aufgenommen hatte, in den Himmel kommen sollten, hatte die Herrin des Todes einen anderen zu Takeos Seelenkollekte ausgeschickt.
Murdoch nickte seinem Kollegen zu, um dann wortlos den Pfad zum hinteren Tor zu nehmen und dem jungen Mann Gelegenheit zu geben, sich im Schatten in Luft aufzulösen, wie es seine Rolle vorschrieb.
Umiko erwartete ihn an der Haustür.
Einen Augenblick lang war er sich nicht sicher, ob der alte Drache ihn einlassen würde. Ihre Haltung war steif und ihr cremefarbener Kimono gestärkt und ohne jede Knitterfalte. Aber nachdem sie ihn eine Weile lang mit unverhohlenem Groll angefunkelt hatte, trat sie überraschend zurück und ging ihm voran hinein.
Auf dem Tisch wartete bereits ein weiteres Bier auf ihn.
Er grinste.
Möge Gott sie segnen!
Er ergriff die Flasche, nahm einen langen Schluck und wählte dann die Nummer der Ranch in San José. Es war nun früher Abend in Kalifornien, jemand sollte also dort sein, um den Anruf entgegenzunehmen.
»Hallo?« Die Stimme einer Frau, ohne ägyptischen Akzent.
»Rachel?«
»Nein, hier ist Em. Mom ist im Atelier. Bist du das, Murdoch?«
Der ruhige, nüchterne Tonfall hatte ihn in die Irre geführt. Die Kleine war nicht mehr dieselbe, seitdem Rodriguez die Stadt verlassen hatte. »Aye, ich bin’s. Wie läuft das Training?«
»Jeden Tag besser.« Kurze Pause. »Du fehlst mir.«
Er runzelte die Stirn. Webster und Emily waren einmal sehr innig miteinander gewesen, aber nun, da der Bursche der Chef war, verbrachte er viel weniger Zeit mit ihr. »Du fehlst mir auch, Kleine. Wenn du mal auf ein Schwätzchen vorbeischauen willst – tu dir keinen Zwang an.«
»Danke«, sagte sie. »Aber zwischen Hausaufgaben und Training habe ich nicht allzu viel Zeit. Wann kommst du zurück?«
»Bald.« Sehr bald, wenn alles gut ging. »Ist Webster da?«
»Nein. Er und ein paar von den anderen sind mit dem Humvee weggefahren, um sich mit Michael und Uriel zu treffen. Die Erzengel haben ein weiteres Dämonennest in San Francisco gefunden.«
»Das war doch klar.« Murdoch schnitt eine Grimasse. »Warum bist du zu Hause geblieben?«
»Ich habe morgen eine Prüfung«, erklärte sie. »Englisch. Wenn ich diesmal eine Eins schaffe, gehöre ich wieder zu den Besten.«
»Schön für dich. Deine Mom freut sich bestimmt.«
»Sie freut sich, wie man sich mit geschwollenen Füßen und einem Riesenbauch nur freuen kann. Ich glaube, sie hatte vergessen, wie viel Spaß es macht, im achten Monat schwanger zu sein.«
»Aye. Ich wette, MacGregor entfernt sich jetzt nicht mehr allzu weit von zu Hause.«
»Jep. Wenn er nicht auf dem Trainingsplatz ist, sitzt er im Büro, starrt die Weltkarte an und grübelt, wohin er seine neuen Elitewächter schicken soll.«
»Ist zufällig einer für Sapporo dabei? Ich könnte hier ein bisschen Action gebrauchen.«
Sie kicherte. »Keine Ahnung. Ich frag mal nach. Soll ich Brian etwas von dir ausrichte?«
»Aye. Er muss mein Auto verkaufen.« Auch wenn es gebraucht war, sollte dabei mehr herausspringen, als nötig war, um die Renovierung des Restaurants zu bezahlen.
»Den Mustang? Warum?«
»Das möchte ich lieber nicht erklären«, antwortete er. Ein unangenehmes Schweigen hing einen Augenblick lang in der Leitung, deshalb fügte er hinzu: »Aber ich werde dich mehr als mein Leben lieben, wenn du
Weitere Kostenlose Bücher