Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
Einzelunterricht wohl das Beste.«
Über die Haut zwischen Kiyokos Brüsten schwappte plötzlich eine Welle feuchter Hitze. »Sie wollen, dass ich Zeit
allein
mit ihm verbringe?«
»Genau das will ich. Aber ich sehe, dass du Bedenken hast.« Soras Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Hat dein Widerwille etwas mit der Einladung zu tun, die du Watanabe-san gegenüber ausgesprochen hast?«
»Nein«, wehrte sie ab. »Watanabe-san hat angeboten, vorübergehend sein Büro in Ihrer ehemaligen Hütte einzurichten, um mir weitere Fahrten in die Stadt zu ersparen. Sobald wir alle Geschäftsberichte durchgegangen sind, wird er nach Sapporo zurückkehren.«
»Dann ist es Angst.«
Angst, zum Opfer ihrer eigenen Begierden zu werden, zum Beispiel. »Obwohl uns Angst manchmal dort bremst, wo wir vorwärtsgehen sollten, erinnert sie uns auch an mögliche Konsequenzen. Je mehr Zeit ich mit Mr Murdoch verbringe, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns zufällig berühren.«
Er nickte abermals. »Aber wenn du Zufall durch Absicht ersetzt und ihn langsam an deine Berührung gewöhnst, wird seine Reaktion darauf vielleicht an Heftigkeit verlieren.«
Kiyoko schlüpfte in ein Paar Sandalen, dann gesellte sie sich zu ihm an den Tisch. Sie kniete sich auf ein dunkelblaues Kissen und griff nach der Teekanne aus Steingut. »Der Plan hat also ein doppeltes Ziel: ihm beizubringen, sich besser zu kontrollieren, und ihn an meine Berührung zu gewöhnen?«
Ein leises Kichern perlte über Soras Lippen. »Mr Murdoch muss natürlich ein williger Schüler sein. Ich glaube, dass ihm selbst an mehr Selbstbeherrschung gelegen ist, daher sollte er empfänglich für deine Unterweisungen sein.«
Sie schenkte die Tasse des Sensei wieder voll, dann goss sie sich selbst Tee ein. »Da bin ich mir nicht so sicher. Wenn er glaubt, dass es mich in Gefahr bringen könnte, wird er wahrscheinlich ablehnen.«
Sora lächelte. »Dann ist es zunächst deine Aufgabe, ihn davon zu überzeugen, dass dir nichts geschehen wird.«
Kiyoko verzog das Gesicht. »Nein. Zuallererst muss ich mich selbst überzeugen.«
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7
D as Wort
frustriert
reichte nicht einmal im Ansatz aus, um Murdochs Laune zu beschreiben.
Als ob Kiyokos Weigerung, ihn gestern Abend zu empfangen, nicht schon ärgerlich genug gewesen wäre, hatte sie es geschafft, ihn auch heute Morgen zu meiden. Er war als Erstes den Pfad zu ihrem Haus hinaufgeschlichen, entschlossen, sich Einlass zu verschaffen. Selbst die Drachenlady hatte ihn nicht aufhalten können. Verfolgt von einem wütenden Schwall Japanisch, den zu verstehen er keinerlei Hoffnung hegen konnte, hatte er jeden Raum durchsucht. Aber das Haus war leer. Keine Kiyoko. Erst als er seine neuen Kameraden im Dōjō befragte, erfuhr er mehr über ihren Verbleib. Sie und ein Kämpferteam waren mitten in der Nacht zur Dämonenjagd losgezogen.
Zur Dämonenjagd!
Ohne ihm etwas davon zu sagen.
Während er die Lederjacke abschüttelte und über einen nahen Busch warf, stieß er wüste Flüche aus. Die Frau hegte eine vermaledeite Todessehnsucht. Er rollte die Schultern, um die Muskeln aufzuwärmen, dann zog er Blutsucher aus der Scheide, so dass es sichtbar wurde. Einer ihm schon fast nicht mehr bewussten Routine folgend, exerzierte er die vier grundlegenden Kampfstellungen und spielte verschiedene Eröffnungsattacken durch. Die lederne Umhüllung des Schwertknaufs schmiegte sich an die Schwielen, die sich vor Jahrhunderten an seiner rechten Handfläche und dem rechten Daumen gebildet hatten, und unter den vertrauten Bewegungen ordneten sich seine Gedanken.
»Wie ich sehe, haben Sie bei Johannes Liechtenauer gelernt, Mr Murdoch«, sagte Kiyoko plötzlich hinter ihm.
Er wirbelte herum.
Ihr weiter weißer
gi
und der Pferdeschwanz verliehen ihr ein solch schmales und weibliche Äußeres, dass er instinktiv die Waffe sinken ließ, trotz des schimmernden Katanas, das sie in der Hand hielt. Sie wirkte gesund und munter, obwohl die dunklen Augenringe beredt Zeugnis von der ereignisreichen Nacht ablegten. Was auch der einzige Grund war, warum er ihr nicht den Hintern versohlte.
»Und bei anderen, zum Beispiel Agrippa«, entgegnete er.
»Was? Keine japanischen Meister?«, frotzelte sie lächelnd.
»Ich bin allzeit bereit, mein Repertoire zu erweitern.« Sie trug sowohl die Silberkette als auch das Armband. Allerdings keine Ohrringe. Und falls sie einen Beutel bei sich hatte, war er nirgends zu sehen.
»Gut«, sagte sie.
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