Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Titel: Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
Vom Netzwerk:
eingelassenen Türriegel über den Fels.
    Kiyoko bückte sich und hob das Ding auf. Sie befreite es von zerbrochenem Glas. Es war von einem hölzernen Rechteck eingefasst und mit aufwendigen Schnitzereien verziert, bei deren Anblick ihr fast das Herz stehenblieb. Sie brauchte gar nicht genau hinzusehen, um die vielen Dellen und scharfen Ecken wiederzuerkennen. Ihre Finger waren zu viele Male über dieses Holz gefahren, als dass sie nicht sofort wusste, was es war. Der wunderbare Bilderrahmen aus Ahorn, der das Hochzeitsfoto ihrer Eltern barg.
    Umiko hätte ihn niemals zurückgelassen.
    Nicht freiwillig.
    »Warten Sie! Gehen Sie nicht …«
    Doch da glitt die Tunneltür schon mit dem leisen Rumpeln gut geölter Scharniere auf.

[home]
11
    D as Haus hatte Totalschaden.
    Während sich die Rage des Berserkers langsam aus seinen Adern zurückzog und sein Selbst zurückkehrte, seufzte Murdoch angesichts der Verwüstung auf. Wände waren eingestürzt, Böden zerschmettert und Decken niedergegangen. Was nicht schon zerstört war, würde bald in den Flammen aufgehen, die an zahlreichen Pfosten und Balken emporleckten. Kiyoko würde erschüttert sein.
    Immerhin waren die Dämonen tot.
    Der tobende Berserker, einige sehr brauchbare Roma-Zauber und die Tüchtigkeit der jungen Onmyōji-Krieger hatten es fertiggebracht, alle zwanzig dieser elenden Ausgeburten der Hölle auszuschalten. Es hatte geholfen, dass die Dämonen seltsam abgelenkt wirkten. Sie hatten in die Luft über ihren Köpfen geschlagen, wahllos Feuerbälle abgefeuert und aus nicht ersichtlichem Grund vor Wut gebrüllt. Was auch immer die Ursache dafür gewesen sein mochte, Murdoch und die anderen hatten davon profitiert. Nur ein Opfer hatten sie zu beklagen – einen jungen Mann, der unter einem Schauer aus Feuerbällen gefallen war, noch ehe Murdoch eingetroffen war.
    Er runzelte die Stirn.
    Ein einziges Opfer, vorausgesetzt, Kiyoko war entkommen, bevor die Dämonen das Haus erreicht hatten. Er hatte keine Spur von ihr in den Trümmern gefunden. Daher lag diese Vermutung nahe.
    Doch es war eben nur eine Vermutung.
    Vielleicht war er zu pessimistisch, aber die Warnung der Herrin des Todes klang ihm noch immer in den Ohren.
Wenn du nicht umkehrst, wird dir der Schleier durch die Lappen gehen.
Wenn Kiyoko hatte fliehen können, warum sollte der Schleier dann in Gefahr sein?
    Er war bestimmt in Sicherheit.
    Murdoch deutete mit dem Schwert auf den jungen Onmyōji, der die anderen zum Kampf an seiner Seite versammelt hatte. Ein Feuerball hatte ihn während des Kampfes in die linke Schulter getroffen. Trotzdem hielt er sich noch immer aufrecht. »Du, hör mal! Wie konnten die anderen aus dem Haus entkommen? Gibt es einen Fluchtweg?«
    Angesichts des leeren Blicks, mit dem der junge Mann ihn anschaute, biss Murdoch sich auf die Zunge. Der Bursche sprach offenbar kein Englisch.
    »Kiyoko? Sora-san? Umiko?« Er deutete auf verschiedene Stellen in der Ruine des Hauses. »Wohin sind sie gegangen?«
    Die Augen des Kämpfers leuchteten auf, und ein Sturzbach von Silben strömte über seine Lippen.
    Er sprang über einen brennenden Pfosten und nahm Kurs auf den rückwärtigen Teil des Hauses. Indem er Scherben zerbrochenen Geschirrs und zersplitterte Dielen beiseitetrat, räumte er dort, wo einmal die Küche gewesen war, den Boden frei. Er drückte auf ein hölzernes Quadrat nahe der Wand, und ein Gelass in den Holzdielen sprang auf. Der junge Mann hob die Abdeckung hoch und zeigte auf die metallene Luke darunter.
    Murdoch schob die Luke zur Seite und spähte in eine dunkle Röhre. Ein Tunnel.
    Er rieb sich über die Brust.
    Er hatte nun zwei Möglichkeiten: dem Tunnel zu folgen oder herauszufinden, wo er endete, und sich dem Ausgang oberirdisch zu nähern. Dank Murdochs Schnelligkeit eines Wächters sowie seiner Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, sprach alles für den Tunnel. Seine Klaustrophobie spielte bei der Entscheidungsfindung keine Rolle. Die Luft im Tunnel würde nicht einfach verschwinden, sobald er ihn betrat, noch würden ihn die Wände erdrücken. Sein Kopf produzierte die Angst, nicht die Realität.
    Er sprang in den Tunnel hinunter.
    Es würde Kiyoko nicht retten, wenn er jetzt Feigheit bewies. Er schaute zu dem Onmyōji hoch, und ohne auf Verständnis zu hoffen, sagte er zu ihm: »Wir treffen uns am anderen Ende.«
    Dann holte er tief Luft, zog den Kopf ein, damit er nicht an die Decke stieß, und lief in die Finsternis.
     
    Kiyokos Warnung kam einen Augenblick

Weitere Kostenlose Bücher