Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
und ein Dutzend gute MacDonalds-Krieger.«
»Es war ein Unglück.« Sie war sich ganz sicher.
Er verzog das Gesicht. »Ist es fair, eine Tat des Berserkers als Unglück zu bezeichnen?«
»Wie ist das passiert?«
»Sie war mir versprochen. Ich liebte sie nicht – ich kannte sie ja eigentlich kaum –, aber der Berserker betrachtete sie als sein Eigentum. Als ich die Lady im Obstgarten dabei erwischte, wie sie den Hauptmann der MacDonalds-Garde küsste, wurde die Bestie in mir wach und zettelte mit einem einzigen Schwertstreich eine erbitterte Fehde an, die vierhundert Jahre dauern sollte.«
Kiyoko senkte den Blick auf ihre Hände.
»Hätte ich lediglich die Soldaten erschlagen«, fuhr Murdoch fort, »wäre alles vergessen und vergeben gewesen. Das war nur gerecht, hätten sie gesagt. Aber MacDonalds’ Tochter wurde in dem Gefecht ebenfalls getötet. Und das veränderte alles.«
Kiyoko nickte. »Du bist also in einer Schlacht gegen die MacDonalds gefallen.«
»Viel später erst. Erst als Mord und Totschlag beide Lager dezimiert hatten. Da konnte nicht einmal mehr mein Tod der Fehde ein Ende setzen.«
Die Geschichte war tragisch, aber Murdoch erzählte sie mit einem ironisch verzerrten Lächeln, das kein Mitleid zuließ. Trotzdem rieb sich Kiyoko die Arme, wie um einen Anflug von Schuld loszuwerden. Der Berserker hatte ihm schon Kummer genug gemacht. Er konnte noch größer werden, wenn sie die Kraft des Berserkers anzapfte, um das Ritual durchführen zu können. Würde sie damit leben können?
Sie ließ seiner Bemerkung ein kurzes und respektvolles Schweigen folgen. Dann fragte sie: »Hast du Angst, dass der Berserker mit Watanabe-san dasselbe anstellen könnte wie mit dem Hauptmann der MacDonalds?«
Ein kleines Lächeln huschte über Murdochs Gesicht. »Ich hatte siebenhundert Jahre Zeit, um der Bestie ein paar Manieren beizubringen. Es wäre schon mehr als deine Hand auf Watanabes Arm nötig, um einen Angriff zu provozieren.«
Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. »Deine Behauptung, dass der Berserker jeden Moment losschlagen und ihn umbringen könnte, war also nichts weiter als eine eifersüchtige Manipulation.«
Das Lächeln wurde breiter. »Vielleicht.«
»Wie gemein von dir!«
»Nicht gemein«, widersprach er. »Nur vorsichtig. Die Verbindung zwischen uns beiden hat mich schon ein paar Mal auf dem linken Fuß erwischt. Ich würde es vorziehen, nicht noch eine unangenehme Lektion lernen zu müssen.«
»Ist eine solche Verbindung ein üblicher Teil des Berserkerfluchs?«
Er schüttelte den Kopf. »Berserker wurden ausschließlich zu Kriegszwecken gezüchtet.«
Draußen schob sich eine Wolke vor die Sonne und dämpfte das Licht im Raum zu einem sanften Grau.
»Hast du eine Theorie, warum wir so aufeinander reagieren? Darüber, was die Träume verursacht?«, fragte sie. Es war nichts auch nur entfernt Kriegerisches an dem Gefühl, das er ihr gab. Ihm nahe zu sein war wie eine Achterbahnfahrt auf heißer, brennender Sehnsucht. Das knisternde Wissen darum und der Drang, ihre Haut an seine zu pressen, ließen nie nach. Sie hatte sich fast schon an ihre permanente, quälende Anwesenheit gewöhnt.
»Ich glaube nicht an Seelenverwandtschaft, wenn es das ist, worauf du hinauswillst«, entgegnete er. »Mutter Natur ist weise. Nur einen Mann für jede Frau und eine Frau für jeden Mann vorzusehen würde der Menschheit ein rasches Ende bereiten.«
»Da muss ich dir recht geben«, gab Kiyoko zu. Doch Murdochs harsche Absage an die Seelenverwandtschaft versetzte ihr einen Stich. »Ich vermute, es ist der Schleier.«
Als sie die Reliquie erwähnte, wurde Murdochs Blick scharf.
»Den du immer bei dir trägst.«
Sie nickte. »Der Berserker reagiert wahrscheinlich auf die Kraft des Schleiers. Und das führt zu einer Art mystischer Eruption, wann immer wir uns nahe kommen.«
Die Sonne schaute wieder hinter der Wolke hervor und goss ein Bündel leuchtender Strahlen in den Raum, die sich auf Murdoch richteten. Er kam schnell auf die Füße, um Schatten zu suchen. »Diese Theorie lässt sich schnell überprüfen«, sagte er. »Leg den Schleier ab.«
Die Einladung in seinen Augen war eine mächtige Verlockung.
Leg den Schleier ab und küss mich noch einmal.
Aber die allzeit zum Ausbruch bereite Energie in seinem Körper stand im krassen Gegensatz zum Locken seiner Worte. Eine kurze Erwähnung des Schleiers, und Murdoch war hellwach. Kiyoko bezweifelte nicht, dass er sich von ihr angezogen fühlte,
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