Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
Jeans und muskulöse, dunkel behaarte Unterarme. So gutaussehend, dass man es kaum glauben konnte.
Und das wusste er.
Kiyoko leckte sich über die trockenen Lippen. »Ich wollte gerade meditieren.«
»Gut«, sagte er. »Gehen wir nach oben und fangen wir an.«
»Ich halte es für unpassend, mit dir allein zu sein, angesichts … äh …«
»Der Träume, die wir hatten?«, vollendete er den Satz.
»Ja.«
Er stieß sich vom Türpfosten ab und ging auf sie zu. »Mädchen, wir befinden uns bereits in der zweiten Runde, und die dritte kommt gerade in Sicht. An diesem Punkt geht es nicht mehr um Anstand.«
»Träume sind
nicht
real.« Sie trat einen Schritt zurück.
»Bist du dir da so sicher? Du hast ein Muttermal gleich unter der rechten Brust. Wie real ist das?«, fragte er leise.
Ihr schoss das Blut in die Wangen. »Das hat dir Sora-san erzählt.«
»Nein, ich hab’s gesehen. Ich hab’s geküsst.«
Sie vergrub das Gesicht in den Händen in dem verzweifelten Versuch, seinem allzu forschenden Blick zu entgehen. »Hör auf damit.«
Schwere Tritte kamen die Treppe aus dem ersten Stock herunter. »Alles in Ordnung?«, fragte eine Männerstimme mit einer milderen Ausgabe von Murdochs schottischem Akzent, kaum noch wahrnehmbar. MacGregor.
»Alles bestens«, antwortete Murdoch. Schützend stellte er sich vor Kiyoko. Er wollte ihre Verlegenheit vor neugierigen Blicken verbergen. »Fährst du ins Krankenhaus?«
»Aye.« Pause. »Seid ihr sicher, dass alles in Ordnung ist?«
Kiyoko tat einen tiefen, beruhigenden Atemzug und kam hinter ihrem gewaltigen Schutzschild hervor. »Ja, alles bestens. Bitte richten Sie Rachel-san meine aufrichtige Entschuldigung aus. Ich bin so erleichtert zu hören, dass es ihr und dem Baby gut geht.«
MacGregor lächelte. »Es war ein Unfall – grübeln Sie nicht mehr darüber nach. Ich bringe Rachel und Kate heute nach Hause.«
Und damit war er auch schon zur Tür hinaus.
»Ich habe den Mann noch nie so viel lächeln sehen«, sagte Murdoch kopfschüttelnd. »Offenbar ist es eine Freude wie keine andere, ein Baby in die Welt zu setzen.«
Kiyokos Blick begegnete dem seinen. »Selbst wenn es ein Mädchen ist.«
»So sieht’s aus. Sollen wir nach oben gehen?« Als er ihren skeptischen Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Ich bleibe auch brav auf Distanz. Du hast mein Wort. Ich habe nicht die Absicht, noch mal den Fehler zu machen, dich zu berühren. Ob du’s glaubst oder nicht, es ist sonst nicht meine Art, Frauen zu zerquetschen.«
»Zerquetschen? Vielleicht nicht. Aber es scheint dir ziemlich viel Spaß zu machen, mich in die Enge zu treiben. Bei jeder Gelegenheit meine Freunde zu bedrohen und Ansprüche auf mich anzumelden ist wohl kaum der geeignete Weg, mir Luft zum Atmen zu lassen.«
Sein Blick blieb ungerührt. »Mädchen, nennen wir’s doch mal beim Namen. Traum oder nicht, du warst nackt und ziemlich willig in meinen Armen. Nenn mich altmodisch, aber für mein Gefühl hat das etwas zu bedeuten.«
Willig?
Eher lüstern. »Du hattest keinerlei Grund, Watanabe-san zu bedrohen.«
»Aye, nun ja. Ich bin ein einfacher Mann mit einem einfachen Gemüt.« Er deutete mit seiner Kaffeetasse nach oben.
Kiyoko gehorchte dem unausgesprochenen Befehl und ging die Treppe hinauf. ›Einfach‹ war das letzte Wort, mit dem sie Murdoch beschreiben würde. »Was genau soll das heißen?«
»Ich erwarte, dass mir meine Frauen treu sind.«
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Er stand zwei Stufen unter ihr. Sie waren auf Augenhöhe. An seiner Bemerkung störte sie so viel, dass sie gar nicht wusste, wo sie anfangen sollte. »Deine
Frauen?
Du hast mehr als eine?«
»Im Augenblick? Nein.«
»Willst du etwa andeuten, dass
ich
deine Frau bin?«
»Ja.«
»Habe ich mein Einverständnis dazu gegeben?«
Er lächelte. »Verbal? Nein.«
»Willst du etwa auch andeuten, dass es ein Zeichen von
Untreue
wäre, mit Watanabe-san zu frühstücken, wenn ich deine Frau wäre – was ich – halten wir’s fest – nicht bin?«
Seine Augen verengten sich bei ihrem eisigen Ton zu schmalen Schlitzen. »Ihn zu ermutigen ist jedenfalls nicht klug.«
»Und wie ermutigt man einen Mann, wenn ich fragen darf? Indem man mit ihm spricht? Ihn anlächelt? Ihm Tee einschenkt?«
Murdoch runzelte die Stirn. »Ich glaube, ich habe mich klar ausgedrückt.«
»Also keine Berührung.«
»Aye.«
»Sich beim Spazierengehen unterzuhaken ist also verboten. Gilt das für jeden Mann oder nur für
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