Zaertliche Brandung - Roman
wollte kein Legat, das über die Kosten für seinen Sarg hinausging, und auch das war unnötig.
Sam saß in steinernem Schweigen neben Willa. Er wusste, was nun kam, und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Er hatte sich entschlossen, den Inhalt des Testaments für sich zu behalten und Bram nicht die Freude zu verderben, indem er Jesse und Ben die Neuigkeit beibrachte. Er selbst hatte nur das schriftliche Testament
gelesen. Das Video kannte er nicht. Spencer hatte irgendwie ›vergessen‹ zu erwähnen, dass es diese Aufnahme gab. Brams alter Freund war bis zum Schluss loyal geblieben.
Spencer räusperte sich, und Sam fasste nach Willas Hand.
Sie hielt im Händeringen inne und blickte mit bleichem Gesicht zu ihm auf.
»Ich möchte fort«, flüsterte sie.
»Alles wird gut, Willa.«
»Ich gehöre nicht hierher.«
»Das dürfte sich ändern«, entgegnete er mit ironischem Augenzwinkern und nickte dann Spencer zu.
»Alle Anwesenden wurden aufgefordert zu kommen«, sagte Spencer, ging an das Fernsehgerät und schaltete es ein.
»Auch Warren Cobb?«, fragte Jesse mit einem finsteren Blick zu dem Mann, der an den Schreibtisch gelehnt dastand, neben sich seinen Stock.
Warren Cobb war Gründer und Inhaber der Aktienmehrheit von Starrtech, Tidewaters größtem Konkurrenten. Warren war auch Brams Freund aus Kindertagen. Gemeinsam hatten sie sich aus der Armut hochgearbeitet, aber irgendwann während des Aufbaues ihrer jeweiligen Imperien hatten sie sich verfeindet. Die Ursache dieses Zwistes hatte Bram mit ins Grab genommen, und Sam bezweifelte, ob Warren mitteilsamer sein würde. Da er aber das Testament gelesen hatte,
konnte er Warrens Interesse an den heutigen Vorgängen verstehen.
»Sogar Cobb«, räumte Spencer ein, »ist auf Brams Wunsch da.«
»Dann wollen wir den Grund wissen, Spence. Fangen Sie an.« Ben zupfte an seinem Schlips.
Sam folge seinem Beispiel. Keiner der Sinclairs fühlte sich mit einem Schlips wohl, und Bram schon gar nicht. Aus diesem Grund hatte Sam seinem Großvater den Schlips abgenommen, bevor man am Morgen den Sarg geschlossen hatte. Brams Gewohnheit folgend hatte Sam den zusammengeknüllten Schlips dem alten Herrn in die Jackentasche gestopft, die er Peg zuliebe glattstrich. Sie musste ständig diese Schlipse aus den Taschen angeln und sie bügeln. Heute würde sie drei zusätzliche zu bügeln haben. Jesse hatte den seinen bereits abgelegt, und so wie es aussah, würde Ben bald seinem Beispiel folgen. Sam hatte seinen Schlips gelockert und den obersten Hemdknopf geöffnet, aber noch ehe diese Sitzung vorüber war, würde er mit seinem Schlips jemanden erwürgen wollen.
Oder – viel wahrscheinlicher – er würde Willa damit knebeln, da sie so laut schreien würde, dass der Putz von den Wänden fiel.
Spencer ließ das Band laufen. Das Video war in Maine aufgenommen worden. Man sah das Meer im Fenster hinter Bram, der an einem wackligen Tisch in einem kleinen, zusammengewürfelt möblierten Cottage saß.
Sam, der Willas Zittern spürte, legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an seine Seite. Sie starrte mit feuchten Augen auf den Bildschirm.
»Er sieht verdammt glücklich aus«, flüsterte er.
»Er wird mir fehlen«, flüsterte sie zurück, ohne den Blick abzuwenden.
Abram räusperte sich, dann deutete er mit dem Finger unwirsch auf sie.
»Zeigt das rote Licht an, dass man mich sehen kann?«, fragte er den Kameramann.
»Allerdings, Bram. Man kann Sie auch hören«, hörte man Spencers Stimme von irgendwo neben der Kamera.
»Dann hört gut zu, Leute«, sagte Bram, der noch immer mit dem Finger auf sie deutete.
»Das ist mein letzter Wille, mein Testament. Ich bin bei klarem Verstand, also soll sich keiner erdreisten, es anzufechten, hört ihr?«
»Sie hören Sie, Bram«, war wieder Spencers Stimme zu vernehmen.
»Keine Angst. Alles ist dokumentiert.«
Nun blickte Sam Spencer an, der ein wenig abseits mit hängenden Schultern dasaß. Es war hart für ihn. Spencer war für Bram ein guter Freund, aber auch ein verdammt guter Anwalt gewesen. Und er war noch immer entschlossen, ein guter Freund zu sein, auch wenn er Brams letzten Plan nicht billigte.
Sam wäre zu gern im letzten Monat eine Fliege an der
Wand dieses Cottage gewesen. Es musste haarsträubende Streitigkeiten wegen des Testaments gegeben haben.
»Also gut. Spencer hat gesagt, ich solle mit den kleinen Sachen anfangen, also hört zu«, brummte Bram. Er wendete den Blick nicht von der Kamera und vermittelte allen
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