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Zaertliche Brandung - Roman

Zaertliche Brandung - Roman

Titel: Zaertliche Brandung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Chapman
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konnte.
    »Okay, Kleines«, sagte sie, stieg ein und legte den Sicherheitsgurt an.
    »Mal sehen, ob wir die Schule erreichen, ohne Geschwindigkeitsrekorde zu brechen.«

15
    W illa suchte in den Schränken ihres Bürobadezimmers nach ihrem Haartrockner und entdeckte ihn schließlich in einem Karton, den sie mitgebracht hatte, als sie Kent Caskets eröffnete. Sie steckte den Fön ein. In vier Jahren hatte sie kein einziges Mal an ihrer Arbeitsstelle geduscht.
    Bei der Renovierung der alten Fabrik, die sie gekauft hatte, hatte es viel Wirbel gegeben, als ein Badezimmer auf der Chefetage eingerichtet wurde. Ihr Betriebsleiter Silas Payne hatte darauf bestanden, dass Willa sich eine ganze Bürosuite zulegte, um sich als erfolgreiche Geschäftsfrau richtig zu präsentieren, wie er sagte. Maureen, die für die Innenausstattung der Särge verantwortlich war, hatte zu Willa gesagt, dass Silas nur deswegen so beharrlich dafür plädiert hatte, weil er sich kein eigenes Bad einbauen lassen konnte, wenn seine Chefin keines hatte. Offenbar waren Badezimmer in der Welt der Riesenunternehmen ein Statussymbol.
    Willa hatte Kent Caskets nicht als Topunternehmen gesehen, wenn ihre Belegschaft aber so tun wollte, als
ob, nun, dann würde sie die Leute in ihrem Glauben lassen.
    Sie betrachtete ihr Spiegelbild mit gerunzelter Stirn. Okay, vielleicht war ein Körnchen Wahrheit in dem, was Shelby am Tag zuvor gesagt hatte. Vielleicht hatte sie mit Kent Caskets angefangen, um den gelangweilten Bewohnern von Grand Point Bluff eine Beschäftigung zu verschaffen. Außerdem musste sie Geld verdienen, also war es für alle eine Win-win-Situation.
    Willa schaltete den Fön ein und bürstete ihr Haar. In Erinnerung an ihre haarsträubende Fahrt zur Arbeit heute Morgen lächelte sie.
    Jennifer, die Gabelstapler und andere Geräte auf Emmetts Werft bediente und den Umgang mit Fahrzeugen gewohnt war, hatte die acht Meilen zur Schule wie ein alter Profi zurückgelegt. Willa aber konnte sich für ihr Leben nicht daran gewöhnen, das Gaspedal mit dem linken Fuß zu bedienen. Immer wieder ruckartig beschleunigend und abrupt bremsend, musste sie wie ein riesiger Hase ausgesehen haben.
    Nachdem sie Jennifer abgesetzt hatte, zeigte ihr ein Blick in den Rückspiegel die entsetzte Miene ihrer Nichte. Ob sie Jen in tödliche Verlegenheit gebracht hatte oder ob der Teenager befürchtete, der schöne neue Wagen würde bei dieser Fahrweise etliche Schrammen abbekommen, konnte sie nicht unterscheiden.
    Sobald sie es geschafft hatte, auf die Straße zu kommen – nach einem Start mit quietschenden Reifen
auf dem Schulhof – hatte sie immer wieder an den Rand fahren müssen, um dem dichten Stoßzeitverkehr Raum zu geben. Ein Wunder, dass sie nicht wegen Verdachts auf Trunkenheit am Steuer angehalten worden war, da sie genauso gewirkt haben musste. So oder so, sie wollte gleich morgen einen Brief an die Lokalzeitung schreiben und diesen Idioten, die glaubten, die Straße gehöre ihnen, etwas von Hupetikette nahebringen.
    Als sie den Haartrockner ausschaltete, hörte sie ein Pochen an der Bürobadezimmertür, gefolgt vom vertrauten Tap-Tap von Maureens Stock.
    »Alle warten im Pausenraum auf dich, Boss«, sagte Maureen und nahm Willa die Haarbürste aus der Hand. Sie hängte den Stock über den Arm und machte sich daran, Willas Haar am Hinterkopf zu bürsten.
    »Wir möchten alles über deinen Trip nach New York hören. Mich interessiert vor allem die Verwaltungsratssitzung. Hoffentlich hast du diesen Nadelstreifentypen tüchtig eingeheizt.«
    Willa seufzte insgeheim. Wer einen Schlips bei der Arbeit trug, galt als Nadelstreifentyp bei Maureen, die aus ihrer vierzig Jahre zurückliegenden Zeit in Boston viel Groll in sich aufgestaut hatte, da man sie bei Beförderungen des Öfteren übergangen hatte. Immer waren die Positionen an Männer gefallen, die oft geringer qualifiziert waren als sie. Deshalb war Maureen nach Keelstone Cove gezogen und hatte hier vor fünfundzwanzig
Jahren ein Stoffgeschäft eröffnet. Hier gab es keine gläsernen Decken, wenn man sich als selbstständige Unternehmerin etablierte. Schließlich hatte sie ihren Laden sehr günstig verkauft und war in Grand Point Bluff eingezogen. Bei Willa war sie für die Sargausstattung zuständig, eine Beschäftigung, die sie nur angenommen hatte, weil sie endlich einen Boss hatte, der kein Mann war.
    Das hielt Maureen freilich nicht ab, sich mit Silas regelmäßig in die Wolle zu geraten. An manchen Tagen

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