Zaertliche Brandung - Roman
gestiftet?
16
K aum war Peg Sams ansichtig geworden, zog sie ihn ins Haus und schalt ihn, weil er so verheerend aussah. Willa und Shelby mussten nach oben laufen, damit Sam und Peg nicht mitbekamen, dass sie sich vor Lachen ausschütteten.
Sie wussten nicht, was komischer war – Peg mit ihrer übertriebenen Fürsorge oder Sam, der sich diese gefallen ließ.
»Ich habe schon geglaubt, sie würde seine Füße küssen«, sagte Shelby und warf sich lachend auf Willas Bett.
»Wenn ich Cody nur zu fragen wage, ob ihm etwas wehttut, macht er schleunigst den Abgang.«
Willa ging an ihren Einbauschrank und zog Kleider samt Kleiderbügeln heraus.
»Du hättest Sam heute Morgen in meinem Pausenraum sehen sollen. Er hat meinen Leuten auch die kleinste Schramme vorgeführt und angedeutet, das wäre alles meine Schuld.«
Shelby setzte sich auf, als Willa eine Armladung Kleider auf das Bett neben sie legte.
»Meine Güte, der Bursche sieht verdammt gut aus. Warte … warum sollte Sam dir die Schuld geben? Und wie kam es, dass er so vermöbelt wurde?« Dann wurden ihre Augen groß.
»O mein Gott! Er ist auf der RoseWind mit dir heraufgesegelt! Deswegen hat er zu Peg gesagt, du hättest versucht, ihn ertrinken zu lassen.« Sie sprang auf und folgte Willa zum Schrank.
»Wieso hast du mir gestern nichts von Sam gesagt?«
»Ich habe es vergessen.«
»Du hast es vergessen!« Sie packte Willas Arm und drehte sie zu sich um.
»Du kannst nicht einfach vergessen, mir zu sagen, dass du fünf Tage mit einem Mann auf einem Boot warst! Ich bin deine Schwester! Du solltest mir alles sagen.« Shelby zog sie zum Bett.
»Los, heraus damit. Hat er es bei dir versucht?« Sie grinste.
»Hast du es bei ihm versucht?«
Willa flüchtete sich zu ihrem Schrank.
»Das geht dich nichts an.«
»Emmett nennt dich nicht umsonst Willy Wildes Kind«, sagte Shelby, die ihr auf den Fersen blieb.
»Auf See bist du wie ausgewechselt.« Sie entriss Willa die Sachen und warf sie in Richtung Bett.
»Oder sollte es besser wildes Weib heißen?« Sie senkte die Stimme.
»Willa, mal ehrlich. Sam gefällt dir doch, oder? Ich
meine, du würdest eine Affäre erwägen, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, oder?«
»Shel, er ist zehnmal durchgeknallter als Abram. Dieser Mensch ist mitten im Long Island Sound aus dem Helikopter gesprungen. Unerhört!«
Shelby zog sie fest an sich.
»Das ist ja wundervoll! Höchste Zeit, dass du dir eine Affäre leistest!«
Willa befreite sich aus der Umarmung und verschränkte die Arme.
»Und du glaubst, er wäre genau der Richtige, um meine Durststrecke zu beenden? So, und jetzt hör dir das an: Fünf Tage nach der ersten Begegnung hat er mich gebeten, ihn zu heiraten, und vor drei Tagen hat er mir doch tatsächlich eröffnet, dass er mich liebt.«
Shelby, die Willa verblüfft anstarrte, wich zurück und ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem sich Kleider türmten.
Willa nickte.
»Na, glaubst du noch immer, er wäre der Richtige für eine Affäre?«
»Er … er hat dir einen Heiratsantrag gemacht?«
»Am Abend von Abrams Beerdigung.«
»Und…o Gott, Willa, was hast du geantwortet?«
»Ich bin am nächsten Morgen abgehauen.« Willa setzte sich seufzend aufs Bett.
»Das ist eine lange Geschichte, also unterbrich mich nicht, ja? Alles fing an, als Spencer Abrams Testament
nach der Beerdigung verlas.« Sie machte eine Pause, dann schüttelte sie den Kopf.
»Nein, eigentlich hat es angefangen, als die Lifttüren auf der dreißigsten Etage von Tidewater International aufglitten …«
Sam saß am Küchentisch, in den Händen einen großen, mit Ahornsirup gesüßten Becher Kaffee. Willas Haus, ein altes, für New England typisches Farmhaus, war von hohen Ahornbäumen und Ulmen umstanden. Die Küche mit ihren glänzenden, kupferfarbigen Armaturen und den weißen, mit Zierleisten versehenen und bis unter die Decke reichenden Schränken sah aus, als wäre sie seit fünfzig Jahren nicht mehr modernisiert worden. Die Küchentheke war aus verblichenem, abgenutztem Resopal der ersten Generation. An einer der Außenwände stand ein alter eiserner Herd wie aus einem alten Haushaltsversandkatalog. Die dunkel gebeizten Dielenbretter aus Fichtenholz senkten sich zum Flur hin ab.
Plötzlich strich unter dem Tisch etwas an seinem Bein entlang, und er beugte sich vor und entdeckte eine einäugige, halb kahle, schwer schnaufende graue Katze, die so alt aussah wie die Einrichtung. Er streckte die Hand aus.
»He du, Alter.«
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