Zaertliche Eroberung im Herrenhaus
aus einer nichtssagenden Durchschnittsfamilie. Tom hat sogar einmal zu Charlie gesagt, ich würde weder als Ehefrau noch als Mutter etwas taugen, und sie beide hätten etwas Besseres verdient. Wie um das zu beweisen, brachte er dann seine Geliebte mit nach Hause.“
Als Sophia merkte, wie ungläubig Jarrett sie anstarrte, biss sie sich auf die Lippe. „Ich sehe Ihnen an, was Sie sich fragen: Wie, um alles in der Welt, kann ein Mensch mit Selbstachtung sich so etwas gefallen lassen?“ Aufgebracht verteidigte sie sich: „Vielleicht sollten Sie sich mit ihrer Einschätzung zurückhalten, bis Sie die ganze Geschichte gehört haben. Hoffentlich tun Sie das. Ich habe nämlich keine Lust mehr, verurteilt zu werden.“
Irgendwie gelang es ihr, sich zu beruhigen und weiterzusprechen. „Eines Abends, als er also diese Frau mit nach Hause brachte – ich nehme an, er fand sie schon eine ganze Weile toll –, wollte Tom unseren Sohn davon überzeugen, sie wäre eine viel bessere Mutter als ich. Denn sie könnte ihm beibringen, ein richtiger Mann zu werden – und sie würde aus ihm nicht so ein Muttersöhnchen machen wie ich.“ Sie schluckte schwer. „Tom meinte, er habe ein Recht auf Affären, weil ich ihn nach Charlies Geburt nicht mehr ins Schlafzimmer ließ. Aber das habe ich getan, weil er ständig mit anderen Frauen flirtete. Und wenn er abends nicht nach Hause kam, wusste ich, was er tat.“ Sophia seufzte schmerzlich.
Jarrett sah sie fragend an. „Er hat zugelassen, dass Sie ihn aus dem Schlafzimmer aussperren?“
Sie lachte ironisch. „Ja, da hat er wohl zum ersten Mal gemerkt, dass ich nicht mehr das ahnungslose kleine Schulmädchen war, das er geheiratet hatte. Ich war so wütend über sein Verhalten, dass es mir egal war, ob er mich schlug. Mir war klar geworden, dass man sich seiner Angst stellen muss, anstatt vor ihr wegzulaufen. Doch er hat es mir auf andere grausame Art heimgezahlt.“
Sophia musste sich einen Moment lang sammeln und fuhr dann leise fort: „Am schlimmsten war es, wenn Tom mit Charlie wegfuhr, damit dieser nicht ständig unter meinem ‚grässlichen‘ Einfluss stand, wie er immer sagte. Dann traf er sich immer mit seinen sogenannten Freunden, die nicht weniger selbstzerstörerisch und liederlich waren als er. Ich habe mich jedes Mal dagegen gewehrt, dass er Charlie mitnimmt. Er hat mich dann wüst beschimpft und manchmal auch körperlich angegriffen.“
Sie atmete tief ein, als die vielen schrecklichen Erinnerungen auf sie einströmten. Die Erniedrigung, geschlagen und gedemütigt zu werden, die Angst, dass ihr Sohn später einmal genauso werden könnte wie sein Vater, wenn sie ihn nicht bald vor dessen Einfluss retten würde … Sophia legte sich die Hand auf die Brust, um ihr wild schlagendes Herz wieder zu beruhigen.
Als Jarrett diese hilflose Geste sah, ging er zur Spüle, füllte ein Glas mit Wasser und reichte es Sophia.
Dankbar trank sie einen Schluck, und Jarrett setzte sich wieder. Schließlich stellte sie das Glas ab und erzählte weiter.
„In der Phase kurz vor Toms Tod – sein Herz blieb eines Nachts einfach stehen – wurde immer deutlicher, wie sehr sich sein Verhalten auf Charlie auswirkte. Das konnte man wohl auch kaum anders erwarten. Nachts machte er ins Bett und hatte Albträume, aus denen er laut schreiend aufwachte. Tagsüber schlug er manchmal nach mir, wenn ich ihm etwas verbot.“
„Dieser Mann muss wirklich gestört gewesen sein“, sagte Jarrett angewidert.
„Ja, das war er allerdings“, bestätigte Sophia. „Tom war süchtig nach Alkohol, Drogen, Glücksspiel und Prostituierten. Er hatte absolut keine Selbstbeherrschung, auch keine Selbstachtung, und es war ihm egal, ob jemand darunter litt, zumindest wenn das seine Frau oder sein Sohn waren. Sein Tod war ein Segen – nicht nur für Charlie und mich, sondern auch für Tom selbst, da bin ich ganz sicher.“
„Warum haben Sie ihn nicht verlassen, bevor es so schlimm wurde?“
Von plötzlichen Schuldgefühlen erfasst, sprang Sophia auf und begann, in der Küche hin und her zu gehen. Sie betrachtete den eleganten hohen Küchenschrank mit dem edlen weißen Geschirr, doch als sich ihr aschfahles Gesicht in der Glastür spiegelte, blickte sie schnell wieder zu dem dunkelhaarigen Mann hinüber. Unter seinem verständnislosen, aufgebrachten Blick fühlte sie sich unendlich verletzlich. Doch weil Jarrett offensichtlich auf eine Erklärung wartete, sagte sie: „Einmal habe ich ihn verlassen und
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