Zärtlicher Eroberer
geworden.“ Er stand auf und studierte die oberen dunkelgrünen Palmwedel. „Ich glaube nicht, dass sie noch viel größer wird. Der Gärtner, mit dem ich in Italien sprach, meinte, in einem kälteren Klima bliebe die Palme kleiner, weil die oberen Wedel den Wind nicht so gut vertragen würden. In den Mittelmeerländern werden diese Bäume natürlich viel größer.“
„Ich hatte gar keine Ahnung, dass du in Italien warst“, sagte Philippa überrascht. Ihr fiel plötzlich auf, dass das nur eins von vielen Dingen war, die sie nicht von ihm wusste.
„Nur kurz. Es war eine kurze Reise, kein längerer Aufenthalt.“ Valerian zuckte die Achseln. „Trotzdem habe ich die Zeit bestens genutzt. Ich habe jeden erdenklichen Park besichtigt. Als meine Arbeit in Rom beendet war, bin ich sogar noch nach Florenz gefahren, einzig um mir die Boboli-Gärten anzusehen.“Valerian fing an zu lachen und wirkte auf einmal sehr jung und glücklich, abgesehen von den dunkeln Ringen unter seinen Augen. „Ich habe wohl zu lange in der Erde gewühlt und darüber ganz meine Manieren vergessen. Jetzt bist du gerade erst angekommen, und ich schwafele über Pflanzen. Ich bitte um Entschuldigung, Philippa. Ich bin froh, dass du hier bist. Glaubst du, du bist der Aufgabe gewachsen?“
„Bei mir brauchst du keinen Wert auf Förmlichkeiten zu legen.“ Sie lächelte ihn an und genoss diesen wundervollen Augenblick, mit ihrem Freund zusammen zu sein. Das war der Valerian, den sie so vermisst hatte. „Alles sieht hier recht gut aus. Der Springbrunnen gefällt mir.“
„Es wird noch viel besser ausschauen, wenn wir beide erst einmal mit allem fertig sind“,erwiderte Valerian.„Ich möchte den Gärten wieder zu neuem Glanz verhelfen und sie denen von Trewithen und Trebah ebenbürtig machen.“ Damit bezog er sich auf zwei große, nahe gelegene Anwesen, die berühmt waren für ihre Gartenanlagen. Dann wurde er etwas ernster. „Ich war lange Zeit fort, und das merkt man hier an allen Ecken und Enden.“
Philippa spürte, dass er sich das zum Vorwurf machte. Sie hätte ihm gern etwas von den Schuldgefühlen genommen, die sie aus seiner Stimme herausgehört zu haben glaubte. Aber was konnte sie zu ihm sagen? Sie hatte keine Ahnung, warum er so lange weggeblieben war. Sie hatte immer geglaubt, er wäre gern und aus freiem Willen fortgegangen, doch jetzt ließ sein Tonfall fast vermuten, dass es anders war.
Valerian gab sich einen Ruck und lächelte wieder. „Möchtest du das Haus betreten und sehen, was auf dich zukommt? Beldon wird erst zum Abendessen wieder hier sein.“
Valerian hatte recht gehabt – es war viel Arbeit nötig, um das Haus herzurichten. Philippa merkte sich vieles vor, während sie durch die großen, leeren Räume von Roseland schlenderten. Bienenwachspolitur und Zitrone reichten hier nicht aus. Die Tapeten waren verblichen und mussten durch neue ersetzt werden, die Gardinen verstaubt. In welchem Zustand sie sich befanden, würde Philippa erst wissen, wenn sie sie vom Staub befreit hatte. Die Teppiche wirkten dünn und verschlissen, dennoch fühlte Philippa sich der Herausforderung gewachsen. Sie hatte bereits Erfahrung gewonnen mit Cambournes Stadthaus in London, das sie in ein wahres Schmuckstück verwandelt hatte.
Valerian öffnete die große Flügeltür zum Ballsaal. Philippa war nicht gefasst auf die Flut von Erinnerungen, die der leere Raum auslöste. Der Saal selbst war nichts Besonderes. Der Parkettboden war völlig abgenutzt und glänzte nicht mehr, die Wandfarbe verblasst und blätterte stellenweise ab. Vorhänge hingen schlaff an den langen Fenstern auf der gegenüberliegenden Seite. Nichts befand sich in den Nischen, in denen große Kristallvasen mit Blumen aus den Gewächshäusern von Roseland hätten Platz finden können. Das einzige Möbelstück im Raum war ein Flügel, über den man ein Laken gegen den Staub ausgebreitet hatte.
Nein, der Raum war nicht aufsehenerregend, im Gegenteil, er wirkte eher verwahrlost. Aber Philippa sah sich wieder als Zwölfjährige, als sie den Ballsaal zum ersten Mal betreten hatte. „Ich erinnere mich, dass du mich damals hierhergebracht hast“, sagte sie leise und ging langsam in die Mitte des Raumes.
Valerian folgte ihr, und sie war sich seiner Nähe überdeutlich bewusst. Er lachte. „Du hast diesen Saal sofort zu deinem Lieblingsplatz im ganzen Haus erklärt und mir gesagt, Gelb wäre die beste Farbe für ihn.“
„Und ich hatte recht“, gab sie scherzhaft
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