Zärtlicher Eroberer
Aufrichtigkeit, hast du wirklich einmal darüber nachgedacht, warum Lucien dir einen Heiratsantrag gemacht hat?“
„Das habe ich, aber ich bin nur auf einen einzigen Grund gekommen. Er braucht einen Erben.“
„Ich habe mich beim Essen nicht gut ausgedrückt, aber hast du auch bedacht, dass er die Kontrolle über Cambourne erhält, wenn ihr heiraten würdet? Eine Ehe mit dir würde den Erfolg des Kartells sichern. Ohne die Cambourne-Minen ist das Kartell nichts weiter als eine kleine Gruppe von Geschäftsleuten mit Risikokapital. Ohne Cambourne können sie den Preis für Erz nicht bestimmen und haben auch keinen Einfluss auf Angebot und Nachfrage.“
Philippa atmete tief durch. „Nein, das habe ich nicht in Erwägung gezogen. Über Besitzfragen sah ich einfach hinweg, weil er so offensichtlich nicht auf mein Vermögen angewiesen ist. Er hat ja selbst genug.“
Valerian schnaubte verächtlich. „Männer wie Canton wollen immer noch mehr. Er ist raffgierig und ehrgeizig, er kann nie genug haben. Ich fürchte, durch diese Habgier gerätst du in Gefahr, Liebes.“
„Ich werde mit Lucien schon fertig“, wandte sie ein. „Du vergisst, dass ich bereits seit geraumer Zeit auf mich allein gestellt bin. Ich kann einen Mann ganz gut einschätzen.“
Valerian blieb stehen, drehte sich zu ihr um und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Wenn du dir nicht von deinem Geliebten raten lassen willst, dann hör dir wenigstens meinen Rat als dein Freund an. Canton wird deine Zurückweisung nicht so einfach hinnehmen. Nicht weil er seine Gefühle verletzt sieht – ich bezweifele, ob er überhaupt welche hat –, sondern weil jetzt sein Geldbeutel gefährdet ist. Er muss Cambourne haben – oder er kann seine Träume von einem Kartell aufgeben. Deine Ablehnung hat ihn in eine unhaltbare Position gebracht. Abgesehen davon, dich zu zwingen, an ihn zu verkaufen, bleiben ihm keine anderen Möglichkeiten mehr.“
„Mich zwingen?“, wiederholte Philippa. „Dazu bin ich viel zu Respekt einflößend“, versuchte sie zu scherzen.
„Zwang muss nicht immer offen ausgeübt werden, Philippa. Es könnte auch Sabotage sein.“
Sabotage. Philippa wurde blass. Lucien würde sie doch gewiss nicht auf so eine Art hintergehen! Er war immer ein guter Freund gewesen, einer, auf den sie sich in vieler Hinsicht hatte verlassen können. Freunde sabotierten einander nicht, sie akzeptierten die Entscheidungen des anderen.
„Du meinst so etwas wie Unfälle, die plötzlich in den Minen geschehen?“
„Zum Beispiel.“
„Nun, darüber würde ich mir keine Gedanken machen. Unfälle schaden ihm schließlich selbst, wenn er später einmal die Mine erwerben sollte.“ Nein, sie war zuversichtlich, dass Lucien niemals zu so drastischen Mitteln greifen würde.
„Was hat Lucien dir denn geschrieben?“Valerian wechselte das Thema.
„Er hat mir nur noch einmal seine Freundschaft versichert“, erwiderte sie, den Inhalt des Briefes beschönigend. Sie war mehr als froh, dass sie damit gewartet hatte, ihm von Luciens Besorgnis zu erzählen. Dieser Abend war eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Es gab zu vieles, worüber sie nachdenken musste. Valerians Bemerkungen warfen plötzlich ein völlig anderes Licht auf Luciens Brief. Sie hatte ihn ja selbst befremdlich gefunden, er hatte Lucien so gar nicht ähnlich gesehen. Jetzt fragte sie sich, ob er nicht Teil einer Strategie war. Wenn Lucien tatsächlich in Valerian ein Hindernis sah, dann glaubte er vielleicht, sie würde seinen Antrag noch einmal überdenken, war Valerian aus dem Weg geschafft. Ihr graute davor, sich die Konsequenzen auszudenken. Sie konnte einfach nicht fassen, dass Lucien fähig sein sollte, einen Menschen zu töten oder zu ruinieren, nur um sein Ziel zu erreichen.
Ihr lief ein Schauer über den Rücken.
„Bist du sicher, dass du dich nicht erkältet hast? Das ist jetzt schon das zweite Mal heute Abend, dass du zitterst“, stellte Valerian fest.
Philippa lächelte gespielt kokett. „Mir ist in der Tat ein wenig kalt. Warum bringst du mich nicht in dein Zimmer und wärmst mich?“
Valerian ging bereitwillig darauf ein. „Ich kenne da eine raffinierte Methode, die die Leute in den Donauprovinzen im Winter anwenden, um sich gegenseitig zu wärmen.“
Philippa sah ihn mit großen Augen unschuldsvoll an. „Erzähl!“
„Nun, sie ziehen ihre gesamte Kleidung aus, schlüpfen unter eine Decke und halten einander im Arm.“
„Das hört sich skandalös
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