Zärtlicher Hinterhalt
hob die Kerze und leuchtete in den Hohlraum hinein, in dem sich eine hölzerne Kiste zu befinden schien.
Dougald hatte genug gesehen. Die Frau war wahnsinnig. Es war an der Zeit, sie zu ergreifen und die Verbrechensserie zu beenden, die ihre Schatten auf Raeburn Castle warf.
Langsam und geduldig sprach er sie an. »Mrs. Trenchard, was tun Sie da?«
Seine Haushälterin schnappte nach Luft und drehte sich so schnell um, dass Dougald nur noch erstaunt blinzeln konnte. In der einen Hand hielt sie die Kerze, in der anderen eine Pistole. Sie zielte auf ihn – und Hannah.
Seaton ging in Deckung.
Die Tanten japsten.
Hannah versuchte, zwischen Dougald und die Pistole zu gelangen.
Doch er schob sie hinter sich.
Und Tante Spring fragte mit zitternder Stimme: »Judy, haben Sie da drin mein Baby begraben?«
Kapitel 28
Die Kerze fing zu flackern an, die Pistole sank herab.
Dougald entspannte die schmerzenden Muskeln. Man hatte heute schon einmal auf ihn geschossen. Es reichte.
Tante Spring erhob sich und marschierte auf Mrs. Trenchard zu. An der Wand angekommen, ging sie in die Knie und berührte das braune Kistchen. »Ist da mein Baby drin?«
Hannah sank auf die Bank zurück und flüsterte: »Oh, gütiger Himmel!«
Auf ein Zeichen Dougalds hin war Charles losgeeilt und hatte aus dem Arbeitszimmer zwei Kandelaber geholt, die nun die Szenerie erhellten.
Seaton stand am hinteren Ende der Kapelle mit dem Rücken an die Wand gepresst, als habe er endlich begriffen, dass es Dinge gab, die er ganz und gar nicht mit ansehen wollte. Tante Isabel presste sich ein Taschentuch vor den Mund, wandte den Blick aber nicht ab. Tante Ethel weinte leise. Miss Minnie ging ein wenig auf Spring zu, als wolle sie der alten Dame etwas von ihrer Kraft abgeben.
»M … Miss Spring?«, stammelte Mrs. Trenchard. »Was machen Sie denn hier?«
»Ich bin hergekommen, weil Hannah mich darum gebeten hat, Judy. Das liebe Mädchen wollte mich hier haben, und jetzt weiß ich auch, warum.« Tante Spring lächelte Mrs. Trenchard liebevoll an. »Ich habe mich immer danach gesehnt zu erfahren, was mit meiner Kleinen passiert ist. Ich bin so froh, dass sie hier in der Kapelle unserer Familie liegt. Haben Sie mein Baby hergebracht, Judy?«
Mrs. Trenchard schaute in die mitleidigen, anklagenden, bestürzten Gesichter der anderen Anwesenden, dann richtete sie den Blick fest auf Tante Spring. »Ich war es. ja, ich hab's getan.«
Tante Spring nahm Mrs. Trenchard die Pistole aus der Hand und reichte sie, ohne sich umzudrehen, nach hinten an Miss Minnie weiter. »Sie sind immer so gut zu mir gewesen, Judy.«
Dann kümmerte Dougald sich um die Waffe und entlud sie sorgsam.
»Ich wollte gar nicht gut sein zu Ihnen«, fuhr Mrs. Trenchard Tante Spring an. »Ich hab Sie nie gemocht.«
»Ja, ja!« Tante Spring rettete die Kerze aus Mrs. Trenchards zitternder Hand und stellte sie auf einer Kirchenbank ab. »Aber trotzdem
waren
Sie gut zu mir.«
Mrs. Trenchard zerknüllte mit großen, abgearbeiteten Händen ihre Schürze. »Meine Mutter hat mich dazu erzogen, gut zu Ihnen zu sein.«
»Ihre Mutter war eine ganz und gar liebenswerte Frau.«
»Sicher. Das müssen Sie so empfinden.« Mrs. Trenchard schien in sich zusammenzusinken und fast vor der winzigen Tante Spring zu kauern. »Mutter hat Sie Ja auch mehr geliebt als mich.«
»Mein Gott, wie ist das schrecklich!« Hannah bewegte sich nach vorn, um Mrs. Trenchard aufzuhalten.
Doch Tante Spring hinderte sie daran. »Setzen Sie sich, Hannah!« Ihre Stimme war fest und klang so gar nicht nach der Tante Spring, die alle kannten.
Hannah setzte sich.
Miss Minnie nickte ihr überrascht zu.
»Ihre Mutter hat mich verhätschelt, weil ich nie so klug war wie Sie, Judy.« Tante Spring streichelte Mrs. Trenchards Schulter. »Und wie ich Sie immer um Ihre Größe und Ihre Kraft beneidet habe!«
Dougald begriff, dass Spring, aller zeitweiligen Verwirrung zum Trotz, mehr Verstand besaß, als er angenommen hatte. Er setzte sich neben Hannah.
»Aber nein, Miss Spring. Das hätten Sie nicht tun sollen. Sie hätten mich nie um irgendetwas beneiden sollen.« Mrs. Trenchard atmete schwer durch den Mund. »Als ich noch jung war, hieß es die ganze Zeit nur:
Sei Miss Spring behilflich! Bring das da zu Miss Spring! Verärgere mir Miss Spring nicht!«
»Wie schlimm muss das für Sie gewesen sein, Judy«, sagte Tante Spring betrübt.
»Dann war ich alt genug, mich zu verabschieden, und hab geheiratet.«
»Und Mr. Trenchard
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