Zärtlicher Hinterhalt
sich, es wieder gerade zu halten. Mittlerweile wünschte sie, sie hätte den Wein damals nicht ausgetrunken. Sie erinnerte sich, dass sie sich an jenem Tag tausend Pfund Sterling gewünscht hatte und ein eigenes Pony – und dass Dougald sie nicht mit diesem allwissenden Gesichtsausdruck ansähe. Angestrengt tat sie so, als dächte sie über nichts anderes als die derzeitige Unterhaltung nach, die seit weiß Gott wann schon zum Erliegen gekommen war, während sie auf den Pfaden der Erinnerung unterwegs war. jetzt suchte sie nach einem Gesprächsthema, irgendetwas, das ihn von ihr und ihrem erröteten Teint ablenkte, und landete wieder bei der Gouvernantenschule. »Die letzten drei Jahre haben gezeigt, dass ich durchaus erfolgreich sein kann. Und deine Sorge, meiner jugendlichen Flausen wegen, war völlig überflüssig.«
»Als Betrügerin Erfolg zu haben ist kein Erfolg.«
Die Anschuldigung traf Hannah völlig unvorbereitet. »Was willst du damit sagen, eine Betrügerin? Das bin ich nicht. Ich war wirklich im Ausland und sechs Jahre lang als Gesellschafterin bei Lady Temperly angestellt – als eine gute Gesellschafterin und gute Organisatorin. Und als nichts anderes habe ich für mich und die Schule Werbung gemacht.«
»Aber nicht unter deinem eigenen Namen.«
Hannah war entrüstet. »Illegitime Kinder haben keinen Nachnamen.
Ich
hatte jedenfalls keinen, wie du sehr genau weißt.«
Einen kurzen Augenblick lang hob sich der Vorhang und zeigte ihr die Bestie, die unter seiner gelassenen Fassade verborgen lag. »Doch, den hattest du. Durch unsere Ehe habe ich dir meinen gegeben.«
»Und ich war dankbar«, bemerkte sie knapp. Sie
war
dankbar gewesen. Ihre Mutter hatte behauptet, verwitwet zu sein, aber die Wahrheit war ihnen überallhin gefolgt. Dann hatte Hannah die Sticheleien und das Gelächter zu hören bekommen. Dass Dougald hinfort seinen Namen mit ihr teilte, war eine der Segnungen ihrer Heirat gewesen. Und die erste Fessel, derer sie sich entledigt hatte, als sie fortgelaufen war.
»Ich wollte keine Dankbarkeit, ich wollte …« Er merkte, dass er lauter wurde, und brach ab.
Doch Hannah machte weiter, wo er aufgehört hatte. »Ich weiß genau, was du wolltest. Unsterbliche Liebe und Hingabe.«
»Ich habe dir vieles gegeben.«
»Wenn du gerade einmal an mich gedacht hast, dann ja. Habe ich mich deinem Willen gebeugt, dann ja. Solange ich nicht zu viel von dir erwartete oder dich an die Versprechungen erinnerte, die du mir an dem Tag gemacht hattest, als du von Liebe sprachst … dann ja.«
Sie konnte in ihrer beider lauten Stimmen das Echo der Vergangenheit hören.
Und Dougald auch, so finster, wie er dreinschaute.
Auf der Stelle musste sie ihre Selbstbeherrschung zurückgewinnen. Falls sie es nicht schaffte, würde er die Oberhand bekommen – wie immer. Sie musste demonstrieren, wie erwachsen sie war; ihn wissen lassen, dass er sie nicht mehr manipulieren konnte, indem er mit ihren Gefühlen spielte. Sie hatte gelernt, ihr Temperament zu zügeln. Die gute Lady Temperly hatte es ihr beigebracht. Und sie hatte ihr Auftreten noch verfeinert, als sie in der Gouvernantenschule junge Damen unterrichtete.
Hannah holte ein paar Mal tief Luft, roch den Holzrauch und den ledrigen Duft des Stuhls. Sie nahm sich die Zeit, sich im Salon umzusehen: die dunklen Fenster mit den schweren Brokatvorhängen und die smaragdgrüne Brokattapete, beides offensichtlich neu. Dieser Raum war nach den Wünschen des Hausherrn umgestaltet worden, eines Mannes, der wusste, was er wollte und wie er es erreichte.
Sie riskierte einen Blick.
Während Hannah sich gesammelt und von ihrem Zorn verabschiedet hatte, schien Dougald sie unablässig beobachtet Zu haben.
Hatte er sie überhaupt auch nur einem Moment aus den Augen gelassen, seit sie diesen Raum betreten hatte? Kaum. Also musste sie umso gelassener und einfühlsamer sein, alles andere hätte Dougald zum Sieg verholfen. Höflich und ruhig fing sie zu sprechen an. »Wenn ich deinen Nachnamen benutzt hätte oder den meiner Mutter, wäre meine ganze Flucht doch ein Witz gewesen. Du hättest mich binnen kurzem ausfindig gemacht.«
»Was uns eine Menge Ärger erspart hätte.«
»Was
dir
eine Menge Ärger erspart hätte«, gab sie zurück. Ich bin erst gegangen, als unsere Ehe bereits völlig gescheitert war. Als ich wusste, dass wir keine Chance mehr hatten.«
Er bewegte kaum die Lippen, als er ihr antwortete. »Wir hatten immer eine Chance.«
»Unsinn.« Sie hielt den
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