Zärtlicher Hinterhalt
einsame Kerze in Mrs. Trenchards Hand erhellte kaum die Kammer, aber Hannah konnte sehen, dass der Raum nicht dem entsprach, was sie gewohnt war. In London hatte sie ein eigenes Haus bewohnt. Ihre Räume waren groß und hell gewesen. Das Schlafzimmer mit einem Ofen, der das Zimmer ordentlich wärmte, drei großen Fenstern mit Samtvorhängen und einem breiten, hohen Bett mit drei Kissen in rüschenumrandeten Bezügen allein für sie. Der Salon befand sich neben der Diele, mit einem kleinen Tisch, an dem sie Briefe schrieb und auch einmal die Konten prüfte, wenn sie für sich sein wollte. Dazu ein bequemer Sessel, in dem sie sich mit einem Buch zusammenrollte, wenn ihr danach war. Sie hatte für solche Bummeleien selten Zeit gefunden, umso wertvoller war ihr die Muße gewesen, wenn es sie doch einmal gab.
Der Raum hier passte für Bedienstete, mehr aber auch nicht. Eine dunkle, kalte, altmodische Kammer, voll gestopft mit ausrangierten Möbelstücken, vorm Fenster zerschlissene Vorhänge. Das Bett war schmal, die Überdecke schlaff vom Alter und das einzige Kissen flach. Sie vermutete, dass sie noch dankbar sein musste, nicht oben im Speicher zu schlafen wie die anderen Bediensteten.
Mrs. Trenchard zündete die Kerze auf dem Nachttisch neben dem schmalen Bett an und sagte: »Sie sind hier auf der hinteren Seite des Schlosses, im alten Teil.«
Hannah fröstelte, als der Wind von draußen gegen das Fenster fuhr und die Vorhänge sich sachte blähten.
»Sehr zugig ist es, das Schloss.« Vielleicht war Hannah ihre Betroffenheit anzusehen, vielleicht wollte sich Mrs. Trenchard aber nur für die unangenehme Fahrt durch den Nebel entschuldigen, jedenfalls betonte sie: »Ich versichere Ihnen, Miss Setterington, wir haben den Kamin sauber gemacht, aber die Feuerstelle raucht leider immer noch.«
Hannah betrachtete den kleinen Haufen Holzscheite neben der winzigen Feuerstelle. Soweit sich das beurteilen ließ, würden sie kaum Wärme hergeben, und mit jedem Windstoß wehte eine dünne Rauchfahne herein. »Ich bin sicher, dass Sie alles getan haben, was möglich war.«
»Und man muss fairerweise zugeben, dass die meisten Kamine in diesem Flügel rauchen. Auch der von Seiner Lordschaft.«
Dougald schlief also in der Nähe. Hannahs Blick wanderte zur Tür. Auch innen steckte ein großer Schlüssel, und sie würde ihn benutzen.
»Hier ist noch nichts hergerichtet worden. Drüben den Westflügel, bei den lieben alten Damen, hat der Herr renovieren lassen, damit sie es bequem haben.« Mrs. Trenchard schüttelte den Kopf. »Ich kann mir einfach keinen Reim darauf machen, warum er wollte, dass Sie ausgerechnet hier wohnen.«
Hannah hätte Mrs. Trenchard durchaus erklären können, warum der Herr auf dieser Kammer bestanden hatte. Er wollte sie in der Nähe haben, wo er sie quälen konnte. Es sollte ihr in jeder Hinsicht schlecht gehen. Er wollte ihr demonstrieren, dass er in den gräflichen Gemächern mit den riesigen Doppeltüren residierte, während sie ein dunkles Loch bewohnte.
»Nun, selbst dem Teufel steht Gerechtigkeit zu – der Herr hat gesagt, dass Sie zumindest nachts vor Miss Spring und ihren Freundinnen Ruhe haben sollten.« Mrs. Trenchard fuhr übers Kopfende des Betts, betrachtete prüfend ihre Fingerspitzen und kniff die Augen zusammen. »Ich werde Sally morgen noch mal herschicken, damit sie fertig putzt.«
Sally tat Hannah unbekannterweise schon jetzt Leid und sie sich selber auch. Sie dachte an die langen Türreihen entlang des Gangs und fragte: »Wer schläft sonst noch in diesem Flügel?«
»Niemand sonst. Nur Sie und Seine Lordschaft.«
»Und Charles.«
Verblüfft zog Mrs. Trenchard die Brauen hoch. Hatte Hannah zu viel von dem preisgegeben, was sie über Dougalds private Gepflogenheiten wusste, oder zu viel Interesse an seinem Kammerdiener bekundet?
»Charles nicht«, verneinte Mrs. Trenchard. »Er schläft auch drüben im Westflügel.«
jetzt war es an Hannah, baff zu sein. Charles hatte immer in einer Kammer neben Dougalds Gemächern geschlafen, damit er allzeit greifbar war. Hannah hatte das gehasst, aus Angst, Lärm zu machen oder zu laut zu sprechen, immer in dem Bewusstsein, dass Charles sich in der Nähe herumtrieb.
Mrs. Trenchard meinte verständnisvoll: »Ah … nun … Miss Setterington, seien Sie unbesorgt. Mylord ist keiner von denen, die sich an Bedienstete heranmachen. Er lebt jetzt schon ein Jahr hier, und ich hab von den Mädchen kein Sterbenswörtchen über ihn
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