Zärtlicher Hinterhalt
als sei er ein Ungeheuer. Er kannte Männer, die sich schlimmer aufführten, als er es Jemals getan hatte. Männer die ihre Frauen ignorierten, sie anschrien, schlugen. Und er, der zu dem Mädchen so gut gewesen war – er hatte sich das Gelächter seiner Geschäftspartner anhören müssen. Und dann … man bezichtigte ihn auch noch des Mordes.
Womit hatte er das verdient? Und diese dumme Kammerzofe mit ihrer Beschuldigung, sie hätten einen Streit gehabt, bevor Hannah verschwunden war.
Natürlich hatten sie einen Streit gehabt, aber was hieß das schon? Er hätte sie niemals getötet. Ihr niemals wehgetan, sie nie im Zorn angefasst, egal wie sehr sie seine Geduld strapazierte.
Und sie hatte seine Geduld strapaziert. Hatte ihn ständig einen Lügner geheißen und verlangt, dass er sein Versprechen hielt. Als ob er seiner Frau jemals gestattet hätte zu arbeiten! Nicht auszudenken, welches Gerede die Folge gewesen wäre!
jetzt wusste er, dass es Schlimmeres gab als Klatschgeschichten.
Die Straße wand sich auf Presham Crossing zu und weiter zur See. Er folgte ihr wie immer in jenen Nächten, in denen Erinnerungen und Frustration ihn aus dem Bett jagten.
Niemals hatte er damit gerechnet, dass er so lange unter dieser dunklen Wolke würde leben müssen. Er hatte gedacht, man würde das Mädchen schon bald finden, und sich einzig darum gesorgt, dass man sie verletzte oder in ihrer Unbedarftheit ausnutzte. Aber sie blieb verschwunden. Mit einem einzigen Brief als Lebenszeichen.
Er hatte sich gegrämt. Hatte gesucht. Hatte Privatdetektive engagiert und Charles zusammengestaucht. Keine Spur von ihr … bis schließlich dieses Geld eingetroffen war. Doch inzwischen war er es schon so gewohnt gewesen, dass Bedienstete und Geschäftspartner sich ängstlich vor ihm duckten, dass es ihn kaum mehr störte. Er war ein Einzelgänger, kalt und diszipliniert: genau wie sein Vater.
Selbstverständlich musste er seinen Köder vorsichtig auslegen. Wenn ihn schon das Mädchen, ohne dass es einen Penny in der Tasche gehabt hatte, an der Nase herumführte, wozu war dann erst die Frau fähig? Sie hatte Verbindungen. Über die er alles wusste. Queen Victoria hatte die Vornehme Akademie der Gouvernanten mit einer Empfehlung geehrt. Er wusste alles über ihre Freunde, ihre finanzielle Situation. Ihm waren der Name ihres Schneiders bekannt und ihre Schuhgröße. Weil er Rache nehmen wollte.
Nicht etwa, weil sie ihm noch etwas bedeutete. Sie bedeutete ihm gar
nichts.
Er sorgte sich nicht wie ein Ehemann um sie. Auch nicht wie ein Geliebter. Nein, die Zeit hatte das Ihre getan. Das hatte er begriffen beim Eintreffen ihres Geldes. Er hatte die Gutschrift in Händen gehalten und entschieden, dass es so weit war. Ab diesem Augenblick hatte Hannah sich ihm ausgeliefert. Der Moment, für den er jahrelang Pläne geschmiedet hatte. Er war ganz ruhig geblieben. Kein Zorn entzündete seine Lunte. Keine Leidenschaft durchströmte seine Adern, sondern er bewahrte vollkommene Ruhe.
Nur diese Nacht nicht. Nur in seinen Träumen nicht. Nur wenn es ihn, wie heute, aus dem Bett trieb, nicht.
Verflucht sollte diese Frau sein! Begriff sie denn nicht, dass dies seine Chance war, Rache zu nehmen? Seine Chance, nicht ihre! Sie hatte kein Recht, ihn zu küssen, ihn mit dem Duft ihres herrlichen Körpers zu quälen, dem Glanz ihres goldenen Haares, den fordernden, seidigen Lippen. Ihm stand jetzt das Recht zu, sie zu quälen.
Und? War es ihm gelungen?
Er hatte sie in der Hand, das wusste er. Sie konnte hier nicht fort. Was er auch sagte oder tat, sie würde nicht gehen. Denn erst musste sie die Wahrheit über sich selbst herausfinden: woher sie kam und von welchen Leuten sie abstammte. Ihr Leben lang hatte sie nach ihren Wurzeln gesucht, und nur er war imstande, sie ihr zu zeigen.
Aber das würde er nicht. Noch nicht, jedenfalls. Nicht bevor er hatte, was er von ihr wollte.
Seine Rache.
Die schuldete sie ihm.
Der Hengst spürte seine Gedankenverlorenheit und schickte sich an durchzugehen. Dougald brachte ihn mit Knien und behandschuhten Händen zu Räson. Die Leute auf dem Landsitz erwarteten vom Earl of Raeburn, dass er ritt wie ein verfluchter Zentaur, und Dougald hatte sie nicht enttäuscht. Er hatte, wie er annahm, die Erwartungen sogar übertroffen, dem Himmel sei Dank! Die Leute waren geschockt genug, nachdem der letzte Lord die Treppe hinuntergefallen war und der vorletzte die Klippen.
Arme Schwächlinge, diese Lords. Vertrugen einfach
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