Zärtlicher Hinterhalt
irregeleiteten Fantasien angestachelt. Erst nach der Heirat war ihr der Verdacht gekommen, dass er sie nicht liebte, und vielleicht, was noch schlimmer war, auch der, dass sie ihn ebenso wenig liebte.
Aber nun würde er sie dazu bringen, ihn wieder zu lieben, und sobald ihm das gelungen war
peng!
Die Borke am Baum hinter ihm explodierte in hölzerne Splitter. Was …? Warum …? Konnte das sein?
Abrupt kehrte Dougald ins Hier und jetzt zurück. Der Hengst bäumte sich unter ihm auf. Hölle! Irgendwer hatte auf ihn geschossen. In dem winzigen Augenblick, den es gebraucht hatte, vergangenen Zauber abzuschütteln …
Peng!
Ein Kugel pfiff an Dougalds Ohr vorbei durch die Luft. Er machte sich die Kapriolen des Hengstes zunutze, rollte sich aus dem Sattel und weg von den trampelnden Hufen. Er rappelte sich auf, lief geduckt davon und versuchte, das weiße Hemd zu verdecken.
»Hab ihn erwischt!«, hörte er einen Mann rufen.
Während sein Hengst schnaubend gegen unsichtbare Dämonen kämpfte und schließlich zurück nach Raeburn Castle raste, kroch Dougald in die kleine Baumgruppe neben dem Pfad. Die salzverkrusteten Stämme waren dürr und windschief, der Boden mit wogendem Gras bewachsen. Nicht weit entfernt donnerte die Brandung ans Ufer und übertönte jedes andere Geräusch. Doch im kümmerlichen Licht der Sterne sah Dougald zwei Gestalten sich von den Felsbrocken lösen und auf die Stelle seines Sturzes zulaufen.
Einer war groß, der andere klein, keiner von beiden hatte eine Pistole in der Hand, aber beide trugen sie weite Obermäntel mit großen Taschen.
Der ehemalige Raufbold in ihm wusste, dass er es mit ihnen aufnehmen konnte.
Der Realist in ihm erkannte die hässliche Wahrheit. jemand hatte auf ihn geschossen. jemand hatte auf den Earl of Raeburn geschossen. Er hatte spöttisch reagiert, als Charles ihm neulich berichtete, dass die Diener von Sabotage und Mordanschlägen tuschelten. Aber diesen Angriff fand er nicht mehr lustig.
Irgendjemand versuchte, den Earl of Raeburn umzubringen, und der Earl of Raeburn war … er.
Einer der Männer richtete sich schließlich auf und rief: »Er ist nicht da!«
Dougald lächelte, als er hinter den beiden aus dem Unterholz trat. »Doch, da ist er!«
Als die Mordbuben sich stolpernd umdrehten, packte er sie an den Haaren und knallte sie mit den Köpfen gegeneinander. Sie heulten auf, als ihre Schädel zusammenkrachten. Einer strauchelte. Den anderen schnappte er sich ohne zu zögern und lüpfte ihn auf die Zehenspitzen. »Warum, zur Hölle, habt ihr auf mich geschossen?«
Ein Dritter, der unsichtbar in dem nächtlichen Schatten verborgen gewesen war, traf ihn von der Seite. Fluchend ging Dougald zu Boden, als sich die beiden anderen auf ihn stürzten.
Er hätte es besser wissen sollen. Man zählte die Gegner durch, bevor man zu kämpfen anfing.
Kapitel 10
Als Hannah die Treppe zum Frühstückszimmer hinunterstieg, schmerzten ihre Muskeln, und ihre Augen brannten Folgen des gestrigen ereignisreichen Tages. Das redete sie sich zumindest ein. Es gefiel ihr nämlich nicht, dass sie die letzte Nacht damit verbracht hatte, Dämonen zu jagen, die sich immer wieder in Dougald verwandelt hatten, um Hannah seinerseits nachzusetzen wie ein Höllenfeuer an den Fersen.
Wie hatte sie nur so dumm sein können – gestern, als sie bereitwillig in die Falle gegangen war, und all die Jahre zuvor, als sie sich vorgemacht hatte, dass sie Dougald nur geheiratet hatte, weil er sie verführt und sie es so gewollt hatte.
Sie umklammerte das Treppengeländer der Wendeltreppe und runzelte wütend die Stirn.
Alle Weisheit der Welt würde ihr nicht weiterhelfen. Es spielte keine Rolle, was die Vernunft ihr sagte oder dass sie mitleidig auf die junge Hannah zurückblickte, die Leidenschaft mit Liebe gleichgesetzt und geglaubt hatte, dass Männer zu ihren Versprechungen standen. Denn wenn sie mit Dougald zusammen war …
»Oh, wunderschöne Maid, Sie bringen die Morgensonne herein!«
Hannah schnappte nach Luft und wäre fast die letzte Stufe hinuntergestolpert, als ein Dandy behände aus seinem Versteck unter der Treppe trat. Ein Gentleman mittleren Alters, nach der neuesten Londoner Mode gekleidet und mit einer gelben Rose ausgerüstet, die er ihr, sich verbeugend, hinhielt.
Sie presste ihre Linke ans hämmernde Herz und schlug ihren frostigsten Tonfall an. »Sir, ich glaube nicht, dass wir einander schon vorgestellt wurden.«
»Natürlich nicht! Ich bin dem zuvorgekommen, weil
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